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Lesung Lesung: Ein Weißenfelser Künstlerleben endet in der Gaskammer

Von HEIKE RIEDEL 12.10.2013, 08:33
Selbstporträt der Künstlerin Elfriede Lohse-Wächtler
Selbstporträt der Künstlerin Elfriede Lohse-Wächtler Elfriede Lohse-Wächtler Lizenz

WEISSENFELS/MZ - Mehr als 70.000 Menschen sind 1940 und 1941 Opfer des Euthanasieprogramms der Nazis geworden. Einer davon war die Künstlerin Elfriede Lohse-Wächtler (1899-1940). Ihr Leben stand am Donnerstagabend im Mittelpunkt einer einfühlsam mit Musik ergänzten Lesung im Museum auf Schloss Neu-Augustusburg.

Die Autorin Regine Sondermann hat dieser bemerkenswerten Frau ihr erstes, 2006 erschienenes Buch „Kunst ohne Kompromiss“ gewidmet. Mittlerweile sind auch andere hinzugekommen, ein Krimi sowie Prosa und Lyrik zu Gemälden der Künstlerin Beate Schoppmann.

Mit ihrem Erstlingswerk ist Sondermann jetzt drei Monate gemeinsam mit Martin Rühmann in zehn Orten Sachsen-Anhalts auf Tour, um die in Vergessenheit geratenen Opfer der Medizinmorde im Nationalsozialismus ins Bewusstsein zu rücken. Aufgefallen ist ihr der Musiker Rühmann mit einer CD. Seine Chansons passten ihr so gut zu Szenen ihres Buches, dass sie gemeinsam mit ihm ein Lese-Konzert-Programm zusammenstellte.

In der Künstlerwelt der Expressionisten

Es ist eines geworden, das unter die Haut geht, hat Rühmann sich doch auf seine Weise mit dem Leben und den Bildern der Malerin auseinandergesetzt, Lieder dafür angepasst und sogar neu geschrieben. Zu Text und Liedern sind auf einer Leinwand Bilder zu sehen, wenige Fotos von Lohse-Wächtler, vor allem Bilder, die sie geschaffen hat, darunter auch schonungslose Selbstporträts. So entsteht eine vielseitige Vorstellung von der künstlerisch sehr begabten, aber auch verletzlichen jungen Frau.

Sie erobert sich ihre Position in der Künstlerwelt der Expressionisten und Dadaisten. Sie trägt die Haare kurz, setzt Hüte auf und raucht, wird so zeitweise zu Nikolaus Wächtler. „Wahrheit, Brüderlichkeit, Kunst“ - unter dem Leitspruch der Dresdner Sezession, einer expressionistischen Künstlergruppe, findet sich auch ihre Gedankenwelt. Sie lernt den Sänger und Maler Kurt Lohse kennen, von dem sie nach einer schwierigen Beziehung 1935 geschieden wird. Dresden und Hamburg sind ihre künstlerischen Stationen.

Sie feiert die dadaistische „Revolution“ in der Kunst mit Johannes Baader, Hausmann und Huelsenbeck. Otto Dix und Otto Griebel sind begeistert von der Schaffenskraft der Malerin. Doch verliert sie diese, als sie partnerschaftliche und von der Weltwirtschaftskrise verursachte materielle Probleme in eine geistige Krise führen. Sondermann beschreibt den Weg, der Wächtler wieder zu ihrer Familie in Dresden führt, die sie in der Psychiatrie Arnsdorf mit der diagnostizierten Schizophrenie gut untergebracht glaubte. Am 1. August 1940 gibt es die Todesnachricht an die Eltern aus Pirna-Sonnenstein, wo die kranke Künstlerin vergast wurde.