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Wirtschaft, Bildung und ÖPNV Jugend im Burgenlandkreis setzt Hoffnung auf den Strukturwandel

Rund die Hälfte ihrer Gleichaltrigen sind weggezogen. Warum zwei junge Menschen aus dem Burgenlandkreis Hoffnung haben, dass sie zurückkehren und was dafür geschehen muss.

Von Martin Walter 28.08.2024, 18:00
Torsten Kahl (links) und Marcus Wöckel haben an dem Jugend-Gutachten für den Strukturwandel mitgewirkt und setzen große Hoffnungen auf die geplante Entwicklung im Burgenlandkreis.
Torsten Kahl (links) und Marcus Wöckel haben an dem Jugend-Gutachten für den Strukturwandel mitgewirkt und setzen große Hoffnungen auf die geplante Entwicklung im Burgenlandkreis. Foto: Martin Walter

Weissenfels/MZ. - Circa die Hälfte ihrer ehemaligen Klassenkameraden haben den Burgenlandkreis nach der Schulzeit verlassen, sagen Torsten Kahl und Marcus Wöckel. Der 27-jährige Maschinenbauingenieur aus Markröhlitz und der 28-jährige Elektroingenieur, der in Naumburg wohnt, haben trotzdem Hoffnung, dass viele von ihnen zurückgelockt werden können – vorausgesetzt, der Strukturwandel aufgrund des Kohleausstiegs entfaltet seine erwarteten Wirkungen.

Mit dieser Thematik kennen sie sich aus. Beide haben 2021 an dem Gutachten „Jugend gestaltet Strukturwandel“ mitgewirkt. Torsten Kahl gehört zudem als eines der jüngsten Mitglieder dem Bürgerbeirat für Strukturwandel auf Landesebene an; Marcus Wöckel ist Mitglied des EU-Begleitausschusses für den Strukturwandel. „Wir haben Fortschritte gemacht und viele Maßnahmen geplant. Nun kommen wir an dem Punkt, wo es praktisch wird“, bewertet Marcus Wöckel den aktuellen Stand des Strukturwandels im Burgenlandkreis. „Wir sind auf dem Weg von der Planung zur Umsetzung“, pflichtet Torsten Kahl bei.

Industrieansiedlungen sollten Priorität haben

Das klingt erst einmal positiv, doch welche Aspekte sollten dabei Vorrang genießen? „Der wohl wichtigste Punkt ist die Wirtschaft“, sagt Marcus Wöckel, dem insbesondere das geplante Interkommunale Industrie- und Gewerbegebiet (Ikig) bei Weißenfels am Herzen liegt. Dafür hatte er eine Online-Petition gestartet, die bis Dienstag 222 Menschen unterschrieben hatten und die er voraussichtlich dem Teucherner Stadtrat in dessen nächster Sitzung vorlegen möchte. In diesem Zusammenhang bewerten sie auch die geplante Erweiterung des Zeitzer Chemie- und Industrieparks als wichtig. „Die ist aber nicht so groß, als dass sie als Ersatz für das Ikig herhalten kann“, sagt Torsten Kahl und widerspricht damit einem Punkt von Ikig-Kritikern, die dort weitere Ansiedlungen anstatt des Ikig-Baus vorgeschlagen hatten.

Genug Energie für Industrieansiedlungen sei vorhanden. „Kohle war unser Standortvorteil“, sagt Marcus Wöckel. Doch es gebe bereits einen weiteren, erzeugten doch etwa die Windräder auf Teucherner Flur seinen Angaben zufolge durchschnittlich mehr Strom, als die Gemeinde verbrauchen könne. In dem Zusammenhang finden sie es zwar gut, dass im Burgenlandkreis ein Wasserstoffnetz aufgebaut werden soll. Für große Chemie- und Industriebetriebe lohne sich die Nutzung. Doch „Wasserstoff ist der Champagner der Energiewende“, sagt Marcus Wöckel. ,„Wasserstoff ist teuer in der Herstellung. Damit beispielsweise Privathaushalte zu beheizen, ist unbezahlbar“, konkretisiert der Elektroingenieur.

Mehr Jugendparlamente gewünscht

Neben der Stärkung der Wirtschaft benennen die beiden Bildung als einen wichtigen Punkt beim Strukturwandel und begrüßen die Idee, jeweils einen Bildungscampus in den drei großen Städten des Burgenlandkreises zu schaffen. „Das Thema Bildung hat der Burgenlandkreis schon früh in den Fokus genommen“, lobt Torsten Kahl. Wichtig sei es aber auch, die jungen Menschen anderweitig einzubeziehen und ihre Mitwirkung zu stärken. Marcus Wöckel spricht in diesem Zusammenhang die Jugendparlamente von Hohenmölsen und Zeitz an, die er sich auch in den anderen Städten wünsche. Für Weißenfels plant Oberbürgermeister Martin Papke (CDU) bereits, ein solches Gremium einzuführen.

Der dritte wichtige Punkt sei der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV). „Der Fokus liegt nur auf dem Schüler- und Stadtverkehr. Der ÖPNV ist nicht für Pendler gemacht“, bemängelt Marcus Wöckel. Wenn weniger Menschen das Auto nutzen sollen, müsse man den ÖPNV „auf die Gewerbegebiete ausrichten“, denn „Menschen steigen nur auf den ÖPNV um, wenn sie damit preislich und zeitlich besser wegkommen als mit dem Auto“, ist er überzeugt.

Wenig Geld für Strukturwandel im Vergleich zu Investitionen in Großansiedlungen

Ein Manko sehen sie bei der Höhe der Fördermittel: „Ich finde, es gibt zu wenig Geld, wenn man sieht, was in Großansiedlungen investiert wird“, sagt Marcus Wöckel. Für die drei deutschen Strukturwandelregionen, das Mitteldeutsche, Lausitzer und Rheinische Kohlerevier, stehen insgesamt 40 Milliarden Euro zur Verfügung. Zum Vergleich: Allein die Intel-Ansiedlung bei Magdeburg will der deutsche Staat mit rund zehn Milliarden Euro fördern.

Nicht zuletzt müsse der Strukturwandel über die geförderten Projekte hinaus gedacht werden. Marcus Wöckel spricht beispielsweise das Gebäudeenergiegesetz an und dass man „Moos als Dämmmaterial“ nutzen könne.

Der Strukturwandel sei „eine große Chance, verkrustete Strukturen abzulegen und was Neues zu erschaffen“, resümiert Torsten Kahl. Und wenn die Umsetzung all dieser Punkte gelingt, so sei ihre Hoffnung groß, dass viele ihrer ehemaligen Klassenkameraden in den Burgenlandkreis zurückkehren, „wenn auch nicht alle“, wie Torsten Kahl anmerkt.