Heinrich Schütz Heinrich Schütz: Lauten-Virtuose Stephan Rath zu Gast beim Musikfest

weissenfels/MZ - Am Sonntag spielte er in der Alten Oper Frankfurt mit einem Ensemble vor mehr als 600 Zuhörern, zwei Tage später allein als Meister der leisen Töne im kleinen Weißenfelser Heinrich-Schütz-Haus vor über 20 Gästen. Der bekannte Experte für Alte Musik, Stephan Rath aus Köln, Musikdozent und Begründer der Batzdorfer Hofkapelle (bei Dresden), liebt die Abwechslung. Wohl auch gerade deshalb hat der renommierte Musiker ein Dutzend Freundinnen, die er regelmäßig in den Arm nimmt. Und das macht er immer wieder vor aller Augen.
Eine seiner zart besaiteten Liebsten stellte er am Dienstagabend in der Saalestadt vor. Der gleichnamige Musikverein hatte zum 428. Geburtstag des Komponisten Schütz eingeladen und Stephan Rath brachte eines seiner Goldstücke mit. Es ist mit 24 Jahren noch recht jung. „Das hat seinen Grund, denn es handelt sich um einen Nachbau, für den ein barockes Instrument aus der Zeit um 1620/30 Modell gestanden hat“, erklärt der Fachmann von Chitarrone und Theorbe.
Was sich hinter diesen beiden Begriffen verbirgt, klärt der Wahl-Berliner für den Laien schnell auf. Es sind Lauten für Alte Musik verschiedener Bauweisen, mit schönen Körpern und manchmal eleganten langen Hälsen. „Eine Chitarrone ist eine Theorbe, den ersten Begriff verwenden die Italiener“, ist weiter zu hören, bevor der Virtuose zauberhafte Saitenspiele beim Geburtstagskonzert präsentiert und mit einem interessierten Publikum auf klingende Reise von Weißenfels in die Welt zieht. Denn so hat es Heinrich Schütz gehalten, der mit fünf Jahren von seinem Geburtsort Bad Köstritz bei Gera mit seiner Familie nach Weißenfels kam.
Es geht quer durch Europa von Kassel über Venedig und nach Kopenhagen an den dänischen Königshof, wo Schütz lernte, lehrte und als sächsischer Hofkapellmeister Auftragswerke aufführte. Stephan Rath spielt Musik von Gabrieli, die der Arrangeur eigens für Renaissancelaute bearbeitet hat, ebenso Werke von Kapsperger und John Dowland - einem seiner Lieblingskomponisten. Beate und Dietrich Eberhardt lauschen andächtig und hätten noch stundenlang zuhören können. Die Berliner genossen dieses besondere Konzert mit Intimcharakter, erklären sie nach einer guten Stunde, die mit einer Zugabe alter englischer Renaissancemusik endete. „Es ist fast wie zu Hause in der guten Stube“, schwärmt Beate Eberhardt. Sie habe sich wohlgefühlt, fügt sie launig hinzu. Regelmäßig besuchen beide Weißenfels, meistens im Herbst, wenn die kleine Stadt mit Bad Köstritz und Dresden zu den drei Hauptorten für das länderübergreifende Musikfest in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zu Ehren von Schütz zähle.
So wie Eberhardts ist auch der Matador des kleinen und feinen Musikabends kein Neuling beim Musikfest in Weißenfels. Rath wirkte im Vorjahr als Ensemblemitglied für Alte Musik mit, spielte in der Stadtkirche St. Marien und davor in der Schlosskapelle zu Neu-Augustusburg. Wenn er nicht gerade eine seiner Lauten zupft oder Gitarre spielt - denn ein Musiker muss wie ein Leistungssportler täglich proben -, dann recherchiert der vielbeschäftigte Künstler deutschlandweit in Bibliotheken, unter anderem in der Landesbibliothek Dresden. „Das ist notwendig, um Stücke vom Mittelalter bis in die Frühklassik neu arrangieren zu können“, sagt Rath, der in Trier geboren wurde und sich zunehmend als Musikdramaturg sieht. So erstellte der ehemalige langjährige Dozent für Laute und Generalbass von der Folkwang Universität in Essen für das Musikfest vor zwei Jahren eine Fassung der verloren gegangenen ersten deutschen Oper „Dafne“ von Heinrich Schütz. „Dies geschah auf der Grundlage des erhaltenen Librettos von Martin Opitz“, sagt der heute 51-jährige Familienvater, der mit 14 Jahren begann, Gitarre zu spielen und mit 17 seine Liebe für das Lautenspiel entdeckte.
Rath wirkte bei mehr als 120 Opernproduktionen mit, die zum Teil unter seiner Leitung standen und auf mehr als 60 CDs sowie in Rundfunk- und Fernsehproduktionen dokumentiert sind. Befragt nach neuen Projekten, sagt der Lautenist: „Für die Händel-Festspiele 2014 in Halle entwickle ich zurzeit eine Musiktheaterproduktion auf der Basis von Händels römischen Kantaten.“