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Gesundheit Gesundheit: Herzsportgruppen sind Mangelware im Burgenlandkreis

Von klaus-dieter kunick Und Birger Zentner 21.05.2013, 18:00

weissenfels/MZ - Gerti Lucke fühlt sich ungerecht behandelt. Die Weißenfelserin hat nach einem Herzinfarkt und einer Rehabilitationsbehandlung von der Deutschen Rentenversicherung weiteren Rehabilitationssport verordnet bekommen. Ihr Versuch, in die Herzsportgruppe des Weißenfelser Reha-Sportvereins zu kommen, scheiterte. Weil es dabei auch noch zu einem verbalen Schlagabtausch mit Arthur Wolff, dem Vorsitzenden des Reha-Sportvereins, der in Weißenfels eine solche Herzsportgruppe anbietet, kam, steht der Konflikt nun auch in der Öffentlichkeit. Ger-ti Lucke hat ihren Unmut im Internet verbreitet.

„Kapazität reicht nicht“

Lucke vermutet Unwillen beim Sportverein, weil sie nicht in die Gruppe aufgenommen wurde. Wolff hebt dagegen die Hände: „Unsere Kapazität reicht nicht aus“, sagt er. Und er hat stattdessen die Vermittlung in eine andere Gruppe angeboten, die im Burgenlandkreis auch noch in Zeitz, Naumburg und Bad Kösen bestehen. Gerti Lucke hatte einen anderen Vorschlag. Jemand aus der Weißenfelser Gruppe solle in eine der anderen Gruppen gehen, sie dafür in die Weißenfelser. Wolff lehnte ab: „Wen aus der Weißenfelser Gruppe hätte ich denn zum Beispiel nach Naumburg schicken sollen?“ Gerti Lucke schlägt das auf den Magen und sie lässt im Internet alle Welt wissen: „Reha-Herzsportgruppe verweigert grob meine Behandlung.“

Das lässt Andrea Holz, die Geschäftsführerin des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbandes Sachsen-Anhalt in Halle, nicht auf sich beruhen. „Leider muss ich Ihnen nach Rücksprache mit Arthur Wolff mitteilen, dass die Aufnahme in diese Rehabilitationssportgruppe nicht erfolgen kann“, schreibt Andrea Holz an Gerti Lucke und fügt hinzu: „Da für Sie die Durchführung des Rehabilitationssports an einem anderen Ort außerhalb von Weißenfels nicht möglich ist, können wir Ihnen nur einen Platz auf der Warteliste anbieten. Falls Sie daran Interesse haben, lassen Sie es uns bitte wissen. Wir würden Sie dann sofort informieren, wenn ein Platz in der Gruppe frei wird“, heißt es in dem Brief weiter.

Zufrieden ist Gerti Lucke mit der Antwort nicht. „Ich bin schon bei einem solchen Sport in der Rehabilitation zusammengeklappt. Da ist es für mich unmöglich, nach dem Sport mit dem Auto nach Hause zu fahren“, sagt sie. Deshalb könne der Reha-Sport nur in Weißenfels stattfinden. Gerade erst war sie wieder zur Untersuchung in einer Leipziger Herzklinik, wo sie es noch einmal schriftlich bekam, dass ihre Aufnahme in eine Herzsportgruppe notwendig sei. Ein zusätzliches Dilemma für sie: Die Verordnung der Rentenversicherung gilt nur bis zum 20. Juni. „Wenn ich bis dahin nicht begonnen habe, verfällt die Verordnung.“

Bei allem Hin und Her wird deutlich: Es gibt im Burgenlandkreis zu wenige Herzsportgruppen. Das bestätigen Übungsleiter, Geschäftsführer und Ärzte. Die Konsequenz: Patienten, die daran teilnehmen möchten, müssen vertröstet werden und warten, bis ein Platz in einer Herzsportgruppe frei wird.

Erschwert wird das Ganze, weil gesetzlich vorgeschrieben ist, dass eine Gruppe aus nicht mehr als 20 Personen bestehen darf. „Wir suchen immer nach einer Möglichkeit, dass Patienten nicht lange warten müssen“, sagt Arthur Wolff. Von heute auf morgen einen Platz belegen, gehe aber eben nicht. „Jeder, der eine solche Gruppe als Übungsleiter führt, braucht eine Spezialausbildung“, erklärt Steffi Schellnock, die seit 2000 als Übungsleiterin in Weißenfels tätig ist. Alle zwei Jahre müsse die Lizenz verlängert werden. Hinzu kommen Fortbildungen.

Ähnlich äußert sich Andrea Holz: „In einer Herzgruppe muss neben einem Übungsleiter mit einer Fachlizenz auch zu jeder Übungsstunde ein betreuender Arzt sowie eine komplette Notfallausrüstung vorhanden sein“, erklärt sie. Diese Konstellation führt mitunter zu Konflikten wie dem mit Gerti Lucke.

Angeheizt wurde der auch noch durch den Ablauf der Telefongespräche zwischen Lucke und Holz sowie Lucke und Wolff. Andrea Holz: „Mir ist im Telefongespräch mit Gerti Lucke einmal herausgerutscht, dass ich ’Herr Lucke’ gesagt habe. Ich hatte eine männliche Stimme am Telefon, da kann das passieren. Ich habe mich sofort entschuldigt, aber Frau Lucke hat das nicht akzeptiert“, erklärt die Geschäftsführerin. Laut Gerti Lucke hat auch Wolff „Sportsfreund“, „mein Lieber“ und „Herr Lucke“ zu ihr gesagt, was sie als diskriminierend in Bezug auf ihre Transsexualität betrachtet. Arthur Wolff: „Das war auf keinen Fall mit Absicht, ich habe mich sofort entschuldigt.“

Doch noch Kompromiss?

Doch das änderte am Grundproblem nichts. Es gibt zu wenige solcher Gruppen. Und das liegt unter anderem daran, dass vor allem ausgebildete Mediziner fehlen, die in solche Gruppen mit hineingehen. „Wir würden gern mehr Sportgruppen anbieten, aber es fehlt an Ärzten, die einfach übelastet sind“, erklärt Geschäftsführerin Holz. Aber es liegt wohl auch daran, dass das gesamte Problem vor allem auf den Schultern von Ehrenamtlichen ruht. Das sieht letztlich auch Gerti Lucke so und hofft doch noch auf den Kompromiss, dass jemand aus der Weißenfelser Gruppe in eine der anderen wechselt. „Ich glaube, dass das in einem halben Jahr wieder anders aussieht und ich dann auch wieder fahren kann“, sagt sie.