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Burgenlandkreis Burgenlandkreis: Fernfahrer stehen im Abseits

Von KLAUS-DIETER KUNICK 18.09.2011, 18:20

OSTERFELD/MZ. - Dietmar Meier aus Graz ist sauer. Endlich, nach langem Suchen hat er einen Parkplatz gefunden. Auf der Strecke zwischen seiner österreichischen Heimatstadt und dem Ziel in Mecklenburg-Vorpommern macht der 50-Jährige auf dem Gelände der Raststätte Osterfeld an der A 9 mit seinem Schwerlasttransporter Halt. Nach dem Tanken lässt er sich sein Abendbrot schmecken. "Wenn man nicht mindestens eine Stunde vor der Lenkpause einen Parkplatz ansteuert, hat man ein richtiges Problem an der Backe", sagt er im schönsten Dialekt der Steiermark. Ab 16 Uhr schauen die meisten Trucker, wo sie sich hinstellen können. Je später der Abend, umso schwieriger die Suche, meint er. Zu der Zeit gibt es auf der Raststätte noch etliche freie Plätze. 180 stehen insgesamt zur Verfügung.

Eine Stunde später bietet sich schon wieder ein ganz anderes Bild: Lkw auf Lkw fährt fast im Minutentakt aufs Gelände. Die Lücken schließen sich langsam. Gegen 18 Uhr wird es dann schon eng. Dabei haben die Fahrer ein zusätzliches Problem: Wenn sie auf den Parkplatz fahren, sehen sie nicht, wo es noch freie Plätze gibt. Fahren sie bis zum Ende des Parkplatzes, riskieren sie, keinen Stellplatz zu finden und müssen das Areal wieder verlassen. Wiederum eine Stunde später, es beginnt langsam zu dunkeln, halten die ersten Fahrer mit ihrem Truck unmittelbar hinter parkenden Lkw. Es bleibt nur noch eine Gasse, durch die alle anderen durchfahren müssen. Die restlichen freien Plätze gehen dann weg wie die sprichwörtlich warmen Semmeln.

Einen Platz erhaschen

Es ist Dunkel. Immer noch rollen Lkw heran, nur noch hier und da finden deren Fahrer eine Lücke. Dann ist schließlich Ebbe. Wer bis dahin nichts ergattert hat, muss sich auf die Suche nach dem nächsten Parkplatz begeben. "Die Männer können wählen zwischen Pest oder Cholera. Halten die Fernfahrer nicht die Ruhezeiten ein, werden sie bestraft, stellen sie sich mit ihrem Lkw in die Einfahrt, müssen sie ebenfalls blechen." René Scheffler weiß, wovon er spricht. Der Pächter der Tankstelle in Osterfeld an der A 9 erklärt, dass sich an dieser Situation seit Jahren bundesweit nichts geändert hat. Er glaube nicht daran, dass das Problem gelöst wird. Als ein Truckerfahrer aus Neubrandenburg mit der Aussage konfrontiert wird, dass die Bundes- und Landesregierung allein in Sachsen-Anhalt in diesem Jahr 50 Stellplätze schaffen will, schüttelt er ungläubig mit dem Kopf: "Die wissen doch gar nicht, was hier gespielt wird. Wir brauchen locker die zehnfache Anzahl an Stellmöglichkeiten." Er wendet sich ab und geht schlafen.

Schnell noch eine Zigarette

Genau wie ein 60-jähriger Fahrer aus Brandenburg. Andere kauen ihre Stullen hinter dem Lenkrad, wenige gehen in die Raststätte, duschen und essen dort, einige rauchen schnell noch eine Zigarette, bevor sie sich hinter der verdunkelten Kabine aufs Ohr legen. "40 Jahre sitze ich schon auf dem Bock. Noch zwei, drei Jahre, dann ist Schluss", sagt einer von ihnen. Seine Ehe sei kaputt gegangen, ewig nicht zu Hause, welche Frau mache das noch mit. Es mache einfach keinen Spaß mehr, man sei nur der Dumme. Da sei der Stress auf der Straße, der Chef, der einen unter Druck setze, immer habe man die Zeit im Nacken und dann der Ärger mit der Polizei. Die würde nur die deutschen Fahrer abkassieren. "Die aus den südlichen Ländern lassen sie meistens durch, weil sie von denen keine ,Knete' kriegen."

Keine Kameradschaft mehr

"Vor Jahren gab es wenigstens noch Kameradschaft untereinander, das ist längst vorbei. Jeder macht sein Ding für sich allein", berichtet er. Als der Fahrer nach seinem Namen gefragt wird, winkt er ab. "Bloß nicht, vielleicht kriegt das mein Chef zu lesen, dann gibt's Ärger." Dass mehr für die Fahrer getan werden müsse, dafür gebe es ein einfaches Mittel, erwidert ein anderer Fahrer. "Ich zahle jeden Monat acht Euro in die Gewerkschaftskasse. Wenn sich der mehr anschließen würden, könnte man mehr erreichen, ist er sich sicher und verweist auf den Lokführerstreik. Heinz-Günter Reske aus Uelzen hat andere Sorgen, er ruft seine Frau an, will wissen, was es Neues zu Hause gibt. Seine Fahrerkabine ist schon abgedunkelt, der 56-Jährige krabbelt die Stufen zum Lkw hoch. "Es wird schwierig, hier einzuschlafen. Hören sie den Lärm?", fragt er und deutet mit der Hand auf den etliche Meter entfernt stehenden Kühltransporter, dessen Aggregat die ganze Zeit laut brummt. Wenn es irgendwie geht, versuchen die Fernfahrer so eine Stelle neben einem Kühltransporter möglichst zu vermeiden. Aber die Parkplatzsituation lasse es nicht zu, sich das noch groß auszusuchen. Reske weiter: "Fährt man von der Autobahn runter, ist es genauso schwierig, eine geeignete Stelle zum Parken zu finden."

Und was ist mit der viel gepriesenen Fernfahrerromantik? "Ja, die gibt es noch", sagt ein Fahrer aus Magdeburg. Wenn er seinen Truck auf den Eisenbahnzug lade und quer durch die Alpen fahren könne. Aber wann sei das schon mal.