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Blitzeinschlag in Wengelsdorf Blitzeinschlag in Wengelsdorf: Eine Familie gibt nicht auf

Von Andrea Hamann 17.05.2013, 15:44
Jens Nagl (3. von links) inspiziert mit Freunden und Fachleuten den entstandenen Schaden an dem Dach auf seinem Haus.
Jens Nagl (3. von links) inspiziert mit Freunden und Fachleuten den entstandenen Schaden an dem Dach auf seinem Haus. Peter Lisker Lizenz

Wengelsdorf/MZ - Die Fenster des Hauses an der Dürrenberger Straße in Wengelsdorf sind weit geöffnet. Es riecht nach Rauch. Ein Matsch aus Ruß, Wasser und Dämmwolle verschmiert die Böden. Es ist Donnerstagvormittag und 13 Stunden her, seit der Blitz in das Haus von Familie Nagl eingeschlagen ist.

Jens Nagl zeigt durch eine Luke auf die verbrannten Balken. Das Dach ist vollständig zerstört. Der 38-Jährige schaut auf die dramatischen Momente zurück. Es ist Mittwochabend, so gegen 20.30 Uhr. Er treibt im Wohnzimmer Sport. Plötzlich kracht es - Blitzeinschlag. Der Mann sieht, wie die Rinde vom nahe stehenden Baum wegfetzt. „Glück gehabt“, denkt er und geht wieder in das Wohnzimmer. Kurz darauf klingelt es. „Eine fremde Frau sagte mir, dass das Dach qualmt“, so Jens Nagl. Er steigt die Stufen hinaus, öffnet die Luke und sieht Flammen. „Raus!“, befiehlt die Feuerwehr, als er sie alarmiert.

"Kehr um!"

Zu gleicher Zeit befindet sich seine Frau Nancy mit den Töchtern Halyie (vier) und Eunice (zwölf) auf dem Rückweg von der Oma in Bad Dürrenberg. Ihr Handy klingelt. „Kehr um!“, ruft ihr Mann. Die 36-Jährige kehrt nicht um. Als sie zu Hause ankommt, muss sie zusehen, wie der Qualm immer dichter wird. Aber schon gibt es erste Anzeichen von dem, was die Wengelsdorfer auszeichnen wird. Familie Kahlert nimmt die Familie noch in der Nacht sofort auf.

Tag eins nach dem Unglück: Immer wieder kommen Männer vorbei. Sie haben Arbeitshandschuhe an, manchmal Tränen in den Augen und eine Frage: „Was kann ich helfen?“ „Und das, obwohl wir hier erst vor zehn Jahren von Herzberg bei Torgau hergezogen sind“, sagt Nagl. Die Helfer saugen das Wasser von den Böden, räumen auf und schauen in den Schubladen, was noch zu retten ist. Frauen mit Waschkörben gehen zu Nancy Nagl. Sie helfen, die Lebensmittel in ihren Kühltruhen zu verstauen. Jens Nagl hat auf seinen Zaun einen Eimer gestellt und die Worte „Einmal gaffen gleich ein Euro“ geschrieben.

Er schaut zu den Menschen, die langsam vorbeifahren und manchmal sogar mit dem Handy Fotos machen. „Das ist die eine Seite“, sagt er mit Blick zu den Gaffern. „Und das dort, das ist die andere Seite“, fügt er an und zeigt auf die Helfer. Unter ihnen ist Bürgermeisterin Sybille Reider. Sie sucht nach einer Bleibe für die Familie. Denn erst das Gutachten der Versicherung wird zeigen, ob das Haus in ein paar Monaten überhaupt wieder bewohnbar ist. Zwar ist die Familie gegen Elementarschäden versichert. Unsicher ist sie trotzdem, ob gezahlt wird. „Wir werden sehen, ob wir uns für das richtige Versicherungsunternehmen entschieden haben“, sagt der Familienvater.

Einige Schritte rückwärts

Er schaut sich um. Der Wasserschaden ist überall. Dunkle Rinnsale laufen hinter den neuen Tapeten im Obergeschoss bis in das Erdgeschoss hinunter. Die Deckenpaneele, das Laminat und die Furniere der Möbel wölben sich bereits an den Kanten auf. Dabei hatte Nagl das Obergeschoss mit den beiden neuen Kinderzimmern erst vor einem halben Jahr fertiggebaut. Nun wollte er das Außengelände um das Haus herum neu gestalten. Dort wird der Platz aber erst einmal für das nasse Inventar gebraucht.

„Das wirft einen schon einige Schritte im Lebensplan zurück“, sagt Jens Nagl, holt kurz Luft und räumt weiter zwischen Ruß-, Wasser- und Dämmwollmatsch auf.

Dagmar Kahlert (links) tröstet Blitzopfer Nancy Nagl.
Dagmar Kahlert (links) tröstet Blitzopfer Nancy Nagl.
Peter Lisker Lizenz