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Ankunft im Mittelalter Ankunft im Mittelalter: Künstlerin belebt die Krypta im Schloss Goseck

Von Holger Zimmer 08.11.2013, 18:52
Susanne Ansorg in der Krypta, die erst vor fünf Jahren in alter Schönheit wieder auferstanden ist.
Susanne Ansorg in der Krypta, die erst vor fünf Jahren in alter Schönheit wieder auferstanden ist. Peter Lisker Lizenz

Goseck/MZ - Fabio Accurso hat zum 960. Kirchweihjubiläum der Schlosskirche in der Krypta in Goseck das allererste Konzert gegeben. Da war die Musikerin Susanne Ansorg hin und weg. Sie kannte die Krypta natürlich: Mit der eingebauten Zwischendecke, die sie zum Weinkeller herabstufte, und 2007/08, als sie durch die Hände der Restauratoren Stück für Stück wieder alte Gestalt annahm.

Nun aber erklang diese wundervolle Lautenmusik, die lange im Raum schwebte, bevor weit nach Mitternacht auch der letzte Ton verklungen war. Susanne Ansorg sagt: „Es ist eine Akustik wie im Gewandhaus.“ Und es schien, als würde dabei der Atem von Generationen spürbar, die hier im Laufe der Jahrhunderte ein- und ausgegangen sind. Für die 44-Jährige ist es inzwischen so etwas wie ein Sehnsuchtsort auf langen Konzertreisen, die quer durch Europa führen. Die Künstlerin mag die Machtdemonstration, die mit der Gotik und ihren hochaufragenden Bauwerken Einzug ins Kirchenleben gehalten hat, nicht. Doch die Romanik mit einfacher, schlichter und anheimelnder Schönheit, mit ihren geradezu weiblichen Rundungen, habe es ihr schon immer angetan, bekennt Susanne Ansorg. Und sie betrachtet es durchaus als Privileg, dass sie, die im Schloss wohnt und arbeitet, sich mal in die Krypta zurückziehen kann.

„Akustik wie im Gewandhaus“

Nur jetzt, in der kühlen Jahreszeit, vielleicht eher weniger. Sie könne, nachdem die Schritte der letzten Besucher verhallt sind, die auf einem Mittelpfeiler ruhenden Kreuzgratgewölbe auf sich wirken lassen. Es ist ein Ort der Stille, wenn sich die Dämmerung herabsenkt, von draußen bestenfalls von Vogelgezwitscher untermalt. Hier steht seit kurzem auch ein schlichtes Kreuz, das die Keramikerin Petra Töppe-Zenker einer Ritzzeichnung an der Südwand der Krypta nachempfunden hat. Diese stecke außerdem noch immer voller Geheimnisse und Susanne Ansorg weist auf eine diagonale Öffnung in der Wand, in der mal ein Handlauf gewesen sein könnte. „Doch Handläufe sind für mittelalterliche Kirchen bisher gar nicht nachgewiesen“, äußert sie.

Sie denkt zurück an das Jahr 1998, als sie mit Sebastian Pank hierhergezogen ist. Damals lag das Schloss noch im Dornröschenschlaf, ein Geheimtipp für Insider, die den ruinösen Charme des alten Bauwerks nicht scheuten. Seitdem habe sich viel getan, zieht das ehemalige Kloster mit seiner nun sanierten Kirche und der Informationsausstellung zum Sonnenobservatorium mehr und mehr Touristen an. Das war Ziel der Arbeit auch des Schlossvereins, dem sie angehört, Besucher in das europäische Musik- und Kulturzentrum zu locken. Und wenn die Ströme größer werden? Ob sie dann noch die Ruhe zu wissenschaftlicher Arbeit findet, wenn sie am Schreibtisch in überlieferte Musik aus dem Mittelalter eintaucht? Schulterzucken! Und dann schwärmt sie von Italien mit mehr Wärme und Licht als in unseren Breiten und sagt, dass sich dort, wie in Goseck, auch gut leben ließe.

Musik wurde zur Leidenschaft

Susanne Ansorg stammt aus einem Elternhaus, in dem viel gesungen wurde. Vor allem dem Vater war Musik ein wichtiger Lebensinhalt, auch wenn er kein Instrument beherrschte. Sie selbst lernte das Geigespiel, trat in einem Streichquartett auf, lernte Gitarre und Klavier. Musik war dann auch eines ihrer Studienfächer. Dann ging sie an die Schola Cantorum in Basel, um mittelalterliche Musik zu studieren. Spaß und Interesse seien da zusammengekommen, Leidenschaft entstanden. Vor allem das Spannungsfeld zwischen alten Überlieferungen und moderner Notensprache müsse in Einklang gebracht werden, um sich der Musik von einst in Konzerten nähern zu können.

Der Lebensort Goseck ist auch Arbeitsort. So hat sie erst kürzlich mit dem Ensemble Donnafugata für eine CD italienische Passionsmusik aufgenommen. Dann gibt es am 15. Dezember zwei Weihnachtskonzerte mit mittelalterlicher und traditioneller Musik aus Portugal, Galizien und Venezuela. Und fürs Frühjahr hofft sie ihrerseits auf einen Auftritt in der Krypta. Es dürfte ein leidenschaftliches Konzert an einem Ort werden, der zu ihr und zur Musik passt.