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Sangerhäuser Geschichte Warum der Brand in der Jacobikirche auch etwas Gutes hatte

Die Jacobigemeinde in Sangerhausen erinnert an den schweren Brand vor 50 Jahren. Wie der „Messias“ damals dennoch aufgeführt werden konnte.

Von Grit Pommer 02.05.2021, 13:15
Pfarrer Klemens Niemann zeigt Fotos vom Brand der Jacobikirche am 2. Mai 1971 und dem Wiederaufbau
Pfarrer Klemens Niemann zeigt Fotos vom Brand der Jacobikirche am 2. Mai 1971 und dem Wiederaufbau (Foto: Grit Pommer)

Sangerhausen

Der 2. Mai 1971 - im Kirchenjahr ist es damals der Sonntag Jubilate. In der Sangerhäuser Jacobikirche sollen sich an diesem Tag die Konfirmanden im Gottesdienst vorstellen. Danach ist die Generalprobe für die Aufführung von Händels „Messias“ geplant - und am Nachmittag das große Konzert. Doch es soll anders kommen. Sirenengeheul zerreißt die Ruhe dieses Sonntagmorgens. Mehrmals wird nachalarmiert, denn jeder Feuerwehrmann wird gebraucht - der Dachstuhl der Jacobikirche steht in Flammen.

Besonnenes Handeln der Feuerwehrleute

„Ich war damals in der 7. Klasse und gerade mit meiner Flöte auf dem Weg zum Gottesdienst“, erinnert sich Agnes Hartnack. Die Sirenen hatte sie zwar gehört. Aber erst unterwegs, als eine Frau sie fragte, wohin sie denn wolle, erfuhr sie: Die Kirche brennt. Am Gotteshaus war inzwischen die Feuerwehr eingetroffen. Zu ihr gehörte auch Hilmar Friedrich, der Mann von Kantorin Hanne-Lore Friedrich. Mit seiner Ortskenntnis lotste er die Kameraden in den Turm hinauf, so dass sie zunächst von oben das Löschwasser auf den Dachstuhl richten konnten.

„Es wurden Planen herangeholt und der Altar damit abgedeckt“, erinnert sich Agnes Hartnack. Eine Zeit lang habe auch die Frage im Raum gestanden, ob man den Altar ganz nach draußen schaffen müsste, weil möglicherweise das Deckengewölbe einstürzen könnte, weiß Pfarrer Klemens Niemann aus den Berichten von Zeitzeugen. „Die Feuerwehr hat damals sehr besonnen gehandelt und diese Dinge bei den Löscharbeiten auch mit im Blick gehabt“, sagt er. Der Altar konnte bleiben. Um die Altargeräte und die Instrumente, die am Vorabend für die Generalprobe bereitgestellt worden waren, kümmerte sich unterdessen Hanne-Lore Friedrich mit mehreren Helfern. Die Sachen wurden nach nebenan ins Pfarrhaus geschafft.

Und auch den „Messias“ gab sie längst noch nicht verloren. „Sie hat den katholischen Pfarrer gebeten, sein Hochamt etwas kürzer zu halten“, erzählt Niemann. Und so konnte am Vormittag die Generalprobe stattfinden - mit Chören aus Sangerhausen, Artern und Eisleben, mehreren Solisten und dem Loh-Orchester aus Sondershausen. „Der Tenorsolist hatte in einem Privatquartier in Sangerhausen übernachtet. Und als seine Vermieterin bei ihm anklopfte und ihm sagte, dass die Kirche brennt, hat er sie erst mal zurechtgewiesen: Damit macht man keine Späße!“, erzählt Niemann.

Das Löschwasser brachte damals die alten Ausmalungen im Kirchenschiff wieder zum Vorschein.
Das Löschwasser brachte damals die alten Ausmalungen im Kirchenschiff wieder zum Vorschein.
(Foto: Maik Schumann)

Dachstuhl des Kirchenschiffs komplett zerstört

Der „Messias“ jedenfalls ging am Nachmittag wie geplant über die Bühne - nur eben in der katholischen Kirche. Hanne-Lore Friedrich sang ihren Part im Chor mit vom Löschwasser ramponierter Frisur. Und die ersten Zeilen: „Tröste dich, mein Volk!“ - an diesem Tag hatten sie für alle eine besondere Bedeutung. Der Dachstuhl des Kirchenschiffs von St. Jacobi indes war total zerstört. Vom Turm ging der Blick nun über verkohlte Bodenbalken hinweg in Richtung St. Ulrich, wie Fotos aus dem Kirchenarchiv zeigen. Die Hildebrandt-Orgel, vom Wasser geschädigt, musste ausgebaut werden. Aber in allem Unglück steckte damals auch etwas Gutes.

„Die Orgel war zuvor schon sanierungsbedürftig gewesen“, sagt die heutige Kreis-Kantorin Martina Pohl. Nur: „Damals hieß es immer, dass man auf einen Orgelbauer noch länger warten muss als auf einen Trabi.“ Der Brandschaden sorgte dafür, dass das Instrument schon ab 1976 generalüberholt wurde und zwei Jahre später wieder erklingen konnte. Zweiter Glücksfall: Das Löschwasser brachte die ursprünglichen Ausmalungen der Kirche wieder zum Vorschein, die unter einem weißen Überstrich verschwunden waren. Und so zeigt sich St. Jacobi nun wieder mit rankenumwobenen Säulen und Heiligenbildern auf den Podesten.

Innerhalb bemerkenswert kurzer Zeit - gemessen an der notorischen Materialknappheit in der DDR - bekam St. Jacobi damals ein neues Dach aufs Kirchenschiff. „Superintendent Blieffert hat sich sehr um den Wiederaufbau verdient gemacht“, sagt Niemann. Die Kupfernägel spendete die Partnergemeinde. Aber sie lagen ewig beim Zoll und lange war unklar, ob sie überhaupt eingeführt werden dürfen. An den 50. Jahrestag des schweren Brandes erinnert die Jacobigemeinde jetzt mit einer kleinen Ausstellung in der Kirche. Die ist am Sonntag zur Gottesdienstzeit 10 bis 10.45 Uhr geöffnet. (mz)