Pflegekräfte dringend gesucht Warum eine Ukrainerin trotz 26 Jahren Berufserfahrung nur als Hilfskraft arbeiten darf
Svitlana Korenkovska stammt aus der Ukraine und hat 26 Jahre Berufserfahrung in der Intensivpflege. Jetzt arbeitet sie in Sangerhausen als Hilfskraft. Woran das liegt.
Sangerhausen/MZ. - „Frau Korenkovska ist sehr schnell sehr gut angekommen“, sagt Adeline John. Leiterin des DRK-Pflegeheims Kyffhäuserblick in Sangerhausen Südwest. „Die Kollegen haben sie ganz herzlich empfangen.“ Das Vorstellungsgespräch sei damals noch ein bisschen holprig abgelaufen, aber sie mache sprachlich gute Fortschritte.
Vor allem: „Sie bringt 26 Jahre Erfahrung in der Pflege mit, hat vorher in der Intensivpflege gearbeitet.“ Jetzt, seit zwei Monaten, ist Svitlana Korenkovska beim DRK-Kreisverband als Hilfskraft eingestellt.
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Langjährige Intensivpflegerin darf nur als Hilfskraft arbeiten
Die 50-Jährige stammt aus der Ukraine und lebt, wie sie erzählt, seit einem Jahr und zehn Monaten in Deutschland. Mit ihrem Mann und ihrer elfjährigen Tochter, die das Gymnasium besucht und durch den engen Kontakt zu ihren Mitschülern schon viel und gut Deutsch spricht.
Die Mutter selbst ist froh, den Job beim DRK gefunden haben. „Das DRK ist in der Welt anerkannt“, sagt sie. Sie sei sehr zufrieden mit der Arbeit und dem freundlichen Kollektiv. Empathie und Sorgfalt, sagt Korenkovska, seien wichtig in der Pflege. Sie bedanke sich bei ihren Arbeitgebern für das Vertrauen, das sie ihr entgegengebracht haben.
Deutsche Bürokratie: Ukrainische Ausbildung als Intensivpflegerin nicht anerkannt
Dass Korenkovska nur als Hilfskraft eingestellt ist, ist - noch - der Bürokratie geschuldet. Denn die Ukraine ist kein EU-Mitgliedsstaat. „Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens muss Frau Korenkovska viele Dokumente vorlegen oder eine Sachstandskundeprüfung ablegen“, erläutert Einrichtungsleiterin John.
„Dabei ist sie genau als das ausgebildet, was wir suchen und brauchen, aber als Hilfskraft eingesetzt und dafür absolut überqualifiziert.“ Auch ihre Einsatzbereitschaft sei „enorm hoch“. DRK-Vorstand Andreas Claus knüpft an: „Es kann nicht sein, wenn jemand 26 Jahre in der Pflege arbeitet, dass es Zweifel gibt an der fachlichen Qualifikation.“
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Anerkennung von Berufsabschlüssen müsse viel schneller gehen
Doch die Formalien, sagt Simone Meißner, Chefin der Arbeitsagentur in Sachsen-Anhalt Süd, seien bisher so. Dennoch müsse genau dieses Problem in die Politik getragen werden. Und die Anerkennung von Berufsabschlüssen müsse auch viel schneller möglich werden als bisher, zumal aufgrund fehlender Fachkräfte durchaus dringender Handlungsbedarf bestehe, betont Meißner.
Das betreffe längst nicht nur den pflegerischen Bereich. Wenn ein solches Anerkennungsverfahren mitunter zwei Jahre dauere, sei es kein Wunder, wenn in dieser Zeit auch die Motivation leide.
DRK-Vorstand fordert schnellere Anerkennung der Berufsausbildung
DRK-Vorstand Claus fordert auf Bundesebene schnellstens neue Regelungskriterien, denn die jetzigen seien „absolut nicht praxiskonform“.
Er spannt den Bogen noch ein Stück weiter: „Wir bräuchten in vergleichbaren Berufsfeldern, bei pflegerischen Tätigkeiten, relativ ähnliche Vorgehensweisen wie in Europa und den Anrainerstaaten - zumal, wenn Berufserfahrung besteht.“ Eine Kenntnisprüfung wäre ein geeigneter Weg, um dies festzustellen.
Ukrainerin in Sangerhausen: Sprachkenntnisse werden verbessert
Zudem könne zentral erfasst werden, sagt Claus, welche Ausbildung und Prüfung in den einzelnen Staaten zum Berufsabschluss führt, um sie vergleichbar zu machen und nicht immer individuell sämtliche Unterlagen zu prüfen. „Es wäre wichtig, eine klare Prioritätenliste an Mangelberufen zu erstellen und in zehn, 15 Berufen zu prüfen, wie in den EU- und Anrainerstaaten ausgebildet wird.“
Um die Stelle beim DRK hat sich Svitlana Korenkovska übers Internet beworben, unterstützt und begleitet durch Svetlana Merkel von der Migrationsberatungsstelle für Erwachsene beim DRK-Kreisverband.
Ukrainerin fehlt durch Sprachkurse - DRK sieht trotzdem Mehrwert
„Am Anfang haben wir ein bisschen Rücksicht auf die Sprachkenntnisse genommen“, schildert Heimleiterin John. Korenkovska sei am ersten Tag vorgestellt und eingearbeitet worden wie jede und jeder Andere auch. „Sie hat im Team von Anfang an volle Anerkennung bekommen.“
Inzwischen verstehe sie die deutsche Sprache schon besser, auch dank des Deutschkurses, den sie zweimal wöchentlich je sechs Stunden besucht. Der Dienstplan werde entsprechend angepasst, sagt John. „Sie fehlt im Moment zwar, aber wir haben am Ende alle einen Mehrwert davon.“
Solche Beispiele machten sicher auch anderen Arbeitgebern Mut, sagt Agenturchefin Meißner. Den wünsche sie auch Frau Korenkovska: „Trauen Sie sich zu sprechen, auch wenn der Satz ein paar Fehler hat!“