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Tilledaer nach Kabelriss im Dunkeln

Von FRANK SCHEDWILL UND RALF KANDEL 07.01.2009, 17:21

SANGERHAUSEN/MZ. - "Noch tiefere Temperaturen hatten wir nur am 14. Januar 1987, am 24. Februar 1986 sowie am 22. Dezember 1969", sagte Evelyn Lange, die Leiterin der Station des Deutschen Wetterdienstes im nahe gelegenen Artern. Damals waren minus 23,6 bzw. minus 24,2 Grad Celsius registriert worden. In Artern wird seit 1954 das Wetter beobachtet.

Die Einwohner von Tilleda saßen am Dienstagabend für etwa vier Stunden zumindest teilweise ohne Licht und Heizung da, weil der Strom ausfiel. Grund: In der Geschwister-Scholl-Siedlung war aufgrund der Kälte eine Niederspannungsfreileitung gerissen. Der Schaden wurde nach Angaben des Energieversorgers enviaM von Mitarbeitern des Unternehmens noch in der Nacht behoben.

Die Minustemperaturen hielten auch die Abschleppdienste auf Trab: "Wir sind die gesamte Nacht auf Achse gewesen", sagte Kfz-Meister Michael Benke, Juniorchef der Autoverwertung Benke in Stempeda und Sangerhausen, die einen Pannenhilfsservice betreibt. Insgesamt habe es 17 Einsätze gegeben, weil Fahrzeuge liegen blieben oder nicht mehr ansprangen. "Bei Lkw froren hauptsächlich Dieselleitungen, Filter oder die Steigrohre im Tank ein. Bei Pkw machten vor allem die Batterien schlapp", so Benke.

Auch der Trinkwasserzweckverband "Südharz" (TVZ) meldete Probleme: "Wir hatten heute allein zehn Anrufe, weil Wasserzähler eingefroren sind", sagte Marco Steckel, der Technische Leiter des TVZ. Hauptursache der Havarien: Die Leute hätten die Kellerfenster offen stehen gelassen. Die Zähler müssten dann zumeist gewechselt werden. Da die Kunden in dem Fall für die Kosten aufkommen müssten, für sie ein recht teurer Spaß. Immerhin rund 90 Euro koste es, einen Zähler auszutauschen. Steckel riet deshalb dazu, die Kellerfenster unbedingt zu schließen. Sei dies nicht möglich, weil zum Beispiel die Heizung Frischluft benötigte, könne man auch versuchen, die Zähler gut einzupacken. Allerdings helfe dies bei andauernder Kälte nur bedingt, so Steckel.

Aufgrund des klirrenden Frosts hat auch das Sangerhäuser Obdachlosenheim länger geöffnet: Sind sonst nur montags bis freitags zwischen 8 und 20 Uhr Aufnahmen ins "Haus der Wohnhilfe" und die Obdachlosenwohnungen möglich, gibt es jetzt in Zusammenarbeit mit der Polizei auch eine Nachtbereitschaft, sagte Susanne Wilk, Mitarbeiterin bei der Arbeits- und Bildungsiniative (Abi), dem Trägerverein: "Wir wollen, dass niemand zu Schaden kommt." Abi-Mitarbeiter würden auch nach den drei Obdachlosen sehen, die auf eigenen Wunsch nicht ins Heim wollen und die sich auch bei der arktischen Kälte lieber draußen aufhalten. Wilk: "Im Notfall werden wir Decken verteilen."

Auf Hochtouren läuft das Heizhaus der Stadtwerke in Sangerhausen Südwest, von dort aus werden 4 226 Wohnungen sowie Supermärkte, Schulen und Kindereinrichtungen mit Fernwärme versorgt. Bei den derzeitigen Außentemperaturen werden dort täglich zwischen 230 bis 250 Megawattstunden (MWh) erzeugt und an die Wohngebiete abgegeben. "Das sind etwa 100 MWh mehr als bei Temperaturen von um plus 4 Grad Celsius", sagte ein Unternehmenssprecher.

Nicht zu beneiden waren Mittwoch diejenigen, die den ganzen Tag im Freien arbeiten mussten. Dazu zählten Klaus Kulla und seine Kollegen von der Entsorgungsfirma RES. Beim Leeren der Mülltonnen froren sie aber nicht, sagten sie zumindest. Kulla: "Wir ziehen uns einfach ein paar Sachen mehr an, dann geht das schon."

Ganz Harte waren auch bei den zweistelligen Minusgraden mit dem Fahrrad unterwegs. "Ich muss mehrfach mit dem Hund raus, da bin ich abgehärtet", sagte Harald Fiedler, den die MZ mit Rad und Hund Justin am Sangerhäuser Taubenberg traf.

Wärmer hatten es da auf jeden Fall die Wellensittiche, Fasane und anderen Vögel im Sangerhäuser Naherholungsgebiet Walkmühle. "Wir haben Rotlichtlampen in die Volieren gehängt, damit es den Tieren nicht zu kalt wird", erklärte Tim Müller, Mitarbeiter der Trägerfirma BIVK, der die Tiere betreut.