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Sechsstelliger Schaden? Sonderausschuss im Südharz stellt Defizit im Friedhofswesen fest

Friedhofswesen: Der Sonderausschuss der Gemeinde Südharz stellt erhebliche Defizite beim Erheben der Gebührenbescheide fest. Welche Folgen das hat.

16.04.2021, 11:45

Südharz

Der Akteneinsichtsausschuss des Südharz-Gemeinderates hat in einer nichtöffentlichen Sitzung am Mittwochabend seinen Abschlussbericht zum Friedhofswesen vorgestellt und darin erhebliche Mängel aufgelistet. Denn überschrieben ist das mehrere A4-Seiten umfassende Papier mit dem Titel „Vollzugsdefizite im Bescheidwesen der Friedhofsverwaltung der Einheitsgemeinde Südharz“.

Dass der Gemeinderat einen Ausschuss bildet, um interne Verwaltungsvorgänge zu überprüfen, das hatte es zuvor in der Gemeinde Südharz nur einmal gegeben; ein Ausschuss versuchte die umstrittene Finanzierung des Roßlaer Grundschulanbaus näher zu beleuchten.

Verspätete Zustellung von Gebührenbescheiden im Südharz

Diesmal aber brachten Bürger aus der Gemeinde den Stein ins Rollen. Denn es kam ihnen seltsam vor, dass Angehörige von Verstorbenen die Bescheide über Friedhofsgebühren oft erst sehr spät zugestellt bekamen - wenn überhaupt. Das trugen sie Ortsbürgermeistern und Ratsmitgliedern vor. Andererseits begann die Verwaltung im vergangenen Herbst, die Friedhofsgebühren neu zu kalkulieren. Das muss, so schreibt es das Kommunalabgabengesetz von Sachsen-Anhalt vor, spätestens nach dem Ablauf von drei Jahren passieren - oder aber, wenn sich erhebliche Veränderungen abzeichnen, wodurch Gebühren deutlich steigen oder sinken würden. Zugleich gilt der Grundsatz, dass Gebühren kostendeckend zu erheben sind, ähnlich wie beispielsweise beim Trinkwasser oder Abwasser. Und zu hoch oder zu niedrig kalkulierten Gebühren sind innerhalb der nächsten drei Jahre auszugleichen.

Da aber die Einnahmen im Bereich Friedhofswesen über mehrere Jahre hinweg nur zum Teil erhoben worden waren, wurden im Zuge der neuerlichen Kalkulation erhebliche höhere Kosten für den Kauf von Grabstellen oder fürs Einebnen beschlossen - ab diesem Jahr. Was wiederum Bürger stutzig machte. Waren ihnen doch aus mehreren Orten Fälle bekannt geworden, in denen die Verwaltung gar keine Gebühren erhoben hatte, auch nicht für die Nutzung der Trauerhalle oder fürs Einebnen der Grabstellen nach der üblichen Liegezeit.

Aufarbeitung der Fälle

Der aus Hagen Schwach (Bürgerliche Mitte Südharz) und Jens Lange (AfD) bestehende Akteneinsichtsausschuss hatte seit Februar mehrere Termine wahrgenommen, um die Unterlagen aus dem Zeitraum ab 2014 zu prüfen. Die Verwaltung selbst, heißt es, habe für das Jahr 2014 einen Beitrag von 15.000 Euro ermittelt, den sie nicht erhoben hatte. Im Jahr 2018 waren Bescheide nur in 45 von 157 Sterbefällen zeitnah versandt worden, was einem Anteil von knapp 29 Prozent entsprach. Etwa 70 Prozent der Bescheide, so berichtete es Lange in der März-Ratssitzung, waren erst ab November des vergangenen bis Februar dieses Jahres verschickt worden. Der Ausschuss habe hochgerechnet, heißt es unter anderem, dass sich das gesamte „Vollzugsdefizit“ auf mehr als 200.000 Euro belaufen dürfte. Und das in einer Gemeinde, in der das Geld an vielen Ecken und Kanten fehlt und in der Bürgermeister Ralf Rettig (parteilos) in den vergangenen Jahren mehrfach eine Haushaltssperre verhängt hatte.

Dies alles dürfte nun in erster Linie Bürger betreffen, die einen Trauerfall zu beklagen haben. Denn sämtliche Gebührenbescheide, fasste Peter Kohl (Uftrunger Liste) kürzlich zusammen, die jetzt normalerweise verschickt werden müssten, müsse man zwingend aussetzen. Mit einer juristisch anfechtbaren Satzung, fanden Lange und Ralf Mosebach (Bürgervertretung Südharz), „machen wir uns angreifbar“. Denn erst eine umfassende Aufarbeitung der zurückliegenden Jahre lasse eine fundierte Kalkulation der Gebühren zu. Das Dilemma will die Gemeinde im nächsten Amtsblatt zu erläutern versuchen. Rottleberodes Ortsbürgermeisterin Helga Rummel (Bürgervertretung Rottleberode) befürchtet, dass das vor allem für ältere Menschen ein Schock werden könnte. (mz/Helga Koch)