Fahrt aufgenommen Ministerpräsident Haseloff zu Besuch im Werk: Wie geht es dem Sangerhäuser Fahrradhersteller Zweirad-Union?
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) informierte sich bei einem Werksrundgang in Sangerhausen über die Produktion bei Zweirad-Union. Welche Pläne das Unternehmen weiter verfolgt.

Sangerhausen/MZ - Drei Insolvenzen in nur sechs Jahren. Die Fahrradproduktion in Sangerhausen hat in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt, oft nicht für gute. Nach der Pleite der Mifa AG (2014), der Mifa-Bike GmbH (2017) und von Sachsenring Bike (2020) scheint das Traditionswerk mit der Zweirad-Union e-Mobility GmbH, die die Geschäfte seit Februar vergangenen Jahres führt, in stabileres Fahrwasser zu kommen. Die Geschäftsführung jedenfalls spürt Rückenwind.
Ministerpräsident Reiner Haseloff zu Besuch in Sangerhausen
Davon überzeugte sich am Montagnachmittag auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der zu einem Besuch nach Sangerhausen gekommen war. Außer einem Abstecher in der Kreisverwaltung, wo er mit der Verwaltungsspitze über den Strukturwandel sprach, informierte sich Haseloff bei einem Werksrundgang und in einem nicht öffentlichen Gespräch bei der Geschäftsführung des Fahrradbauers:
Er wolle nachschauen, wie es dem Werk nach den vielen Aufs und Abs heute gehe, sagte er und brach dabei eine Lanze für Fahrräder aus Sangerhausen. Er fahre viel Rad und „Mifa ist die seit der Kindheit gepflegte Marke“. Das Fahrradwerk sei ein wichtiger Standort in Sachsen-Anhalt. „Ich bin froh, dass es hier wieder losgeht“, betonte Haseloff.
Positive Entwicklung des Fahrradherstellers
Zweirad-Union-Chefin Tao Wang und Jens Mensing, der operative Geschäftsführer der Firma, äußerten sich positiv über die Unternehmens-Entwicklung nach dem Neustart. Tao Wang sagte: „Wir versuchen es besser zu machen als zuletzt. Das gelingt uns gut.“ Mensing ergänzte: „Seit der Übernahme der alten Gesellschaft konnten wir dank der vielen gut qualifizierten Mitarbeiter und über die von uns gelieferte Qualität viel Vertrauen in den Standort Sangerhausen zurückgewinnen.“
Dies habe zu einer derzeit sehr guten Auslastung der Kapazitäten und der damit verbundenen Auftragslage geführt. Auch Investitionen in die Montageprozesse und in die jeweilige Wertschöpfungskette hätten sich als erfolgreich erwiesen.
Ist die Zweirad-Union im Februar 2021 mit 75 Mitarbeitern gestartet, werden nach Werksangaben mittlerweile 110 Männer und Frauen beschäftigt. Darunter seien 20 Leiharbeiter, um Produktionsspitzen abzufangen. Derzeit suche man händeringend weiteres Personal. „Wir könnten eine zweite Schicht einführen, wenn wir die Leute dafür hätten“, sagte Mensing.
Produktionssteigerung geplant
Generell will das Werk die Produktion steigern. Laufen derzeit etwa 250 Fahrräder täglich vom Band, sollen es Ende 2023 bereits 500 sein: Auch die Montagekapazität für die eigene Produktion und Fremdkunden sowie Logistikleistungen seien bereits signifikant ausgebaut worden - „immer unter der Prämisse, keine Kompromisse an der Qualität der gefertigten Fahrräder zu akzeptieren“.
Dabei setze Zweirad-Union auch auf den Bereich des sogenannten Dropshippings. Das heißt, dass Werk liefert die von Händlern bestellten Produkte an die Endkunden selbst aus. Die Händler sparen so Geld und Zeit, da die Vorfinanzierung der Räder, deren Lagerung, der Aufbau und der Betrieb einer eigenen Versandlogistik entfallen.
Weitere Maßnahmen, um die Prozesse zu verbessern, liefen oder würden derzeit projektiert und angestoßen. Dabei will Zweirad-Union mit Partnern aus der Region zusammenarbeiten.
Fertigung für andere Firmen
Froh ist der Hersteller, dass man in den vergangenen Monaten verstärkt Kunden neu - beziehungsweise wieder zurückgewinnen konnte - auch aus dem Fachhandel. In den Hallen im Sangerhäuser Zentrum werden wie früher Räder für diverse andere Firmen aus der Fahrradbranche gefertigt.
Namen nannte Zweirad-Union nicht. „Ferner haben sich die von uns angebotenen Dienstleistungen in den Bereichen Lohnlackierung und Laufradmontage sehr gut entwickelt“, betonte Mensing. Zweirad-Union unterstützt seine Partner nach eigenen Angaben auch in den Bereichen Produktentwicklung und -management sowie Einkauf, sofern diese das wünschen.
In Zukunft will das Werk weiter auf die stark wachsende E-Mobilität setzen. „Das heißt, dass wir uns ganz klar auf das E-Bike und die von uns vertriebenen E-Scooter konzentrieren“, sagte Mensing. Diese bis zu 45 km/h schnellen Elektroroller werden auch in Sangerhausen komplettiert. Hauptprodukt bleibe aber das Fahrrad. Derzeit werden zu etwa 90 Prozent E-Bikes hergestellt. Der Rest seien konventionelle Fahrräder.
Steppenwolf und Grace sollen wiederbelebt werden
Um Probleme mit Lieferketten aus Asien wie in den vergangenen Corona-Jahren zu vermeiden, will das Unternehmen deutlich mehr Teile und Dienstleistungen in Europa einkaufen. Insgesamt sollen in diesem Jahr etwa 45.000 Fahrräder in Sangerhausen vom Band laufen.
Das sei aber davon abhängig, wie die Teile verfügbar seien. Der Hersteller plant zudem, die früheren Mifa-Marken Steppenwolf und Grace wiederzubeleben. „Steppenwolf werden wir als sportive Mountainbike- und Trekking-Bike-Marke im Premiumsegment im nächsten Jahr launchen.“
Die ersten Räder würden Anfang 2024 an die Handelspartner ausgeliefert, so Mensing. Grace wolle man als sogenanntes Urban-Lifestyle-Pendant zu Steppenwolf weiter entwickeln.