Geschäftsführerin Tao Wang im Interview Welche Pläne hat Zweirad Union mit dem ehemaligen Mifa-Werk in Sangerhausen?
Fast genau ein halbes Jahr ist seit der Übernahme des Fahrradwerks durch Zweirad Union vergangen. Mit welchen Konzept soll der Standort gestärkt werden?

Sangerhausen/MZ - Im März standen die Zeichen im traditionsreichen Fahrradwerk in Sangerhausen mal wieder auf Veränderung. Mit dem Verkauf von Sachsenring Bike gab es erneut einen Eigentümerwechsel. Tao Wang, Geschäftsführerin der Zweirad Union E-Mobility, leitet seitdem die Geschicke an der Kyselhäuser Straße. Im Interview mit Joel Stubert erläutert die Geschäftsfrau die Vorzüge des Standortes Sangerhausen, die Pläne mit den Marken wie Steppenwolf und was künftig mit dem Namen „Mifa“ passiert.
Wie fällt die Bilanz rund ein halbes Jahr nach der Übernahme bei Zweirad-Union aus?
Tao Wang: Natürlich war die Übernahme eine echte Herausforderung für alle Beteiligten und die Restrukturierungsmaßnahmen sind noch in vollem Gange. Aber dank der qualifizierten und engagierten Mitarbeiter sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Die Nachfrage nach Montagekapazität steigt merklich an.
Was sprach damals aus Ihrer Sicht für die Übernahme von Sachsenring Bike?
Wir haben uns schon immer eine Montage in Deutschland gewünscht, die im wachsenden deutschen und europäischen Markt eine wichtige Rolle spielen kann. Der Produktionsstandort kann sicher nach den notwendigen Modernisierungsmaßnahmen mit der Elektromobilität mitwachsen. Fertige Räder können aus China nicht mehr eingeführt werden und die Montagestandorte wie Taiwan oder Vietnam werden immer teurer. Das betrifft die Personalkosten, aber vor allem auch die Logistikkosten für komplett montierte Fahrzeuge. Wir wissen, dass viele Marken Montagekapazitäten in Deutschland suchen, um deutlich flexibler zu agieren und den „Time to Market“ zu verkürzen.
Was gibt es noch zu tun?
Wir arbeiten derzeit an der Optimierung der Wertschöpfungskette von Asien bis nach Deutschland und an der Optimierung der Montageabläufe. Wir werden den Qualitätsstandard weiter stetig erhöhen. Die Modernisierung läuft parallel zur Gewinnung neuer anspruchsvollerer Kunden.
Was wurde bislang schon geschafft?
Ich denke, wir sind die ersten guten Schritte in die Zukunft gegangen. Das Interesse alter und neuer Kunden, Montageaufträge zu vergeben steigt weiter an. Der Standort ist in der Branche wieder im Gespräch und wir konnten in den letzten Wochen glaubhaft vermitteln, dass wir gute Arbeit leisten können. Auch haben wir den Zweirad-Werksverkauf der Zweirad Union im Industriegebiet von Sangerhausen, in einer komplett neuen Umgebung, wiedereröffnet.
Planen Sie Kurzarbeit?
Aufgrund der derzeit guten Auftragslage sind unsere 80 Mitarbeiter nicht in Kurzarbeit und wir haben auch mit Blick nach vorne keine geplant oder angemeldet.
Mit welchem Konzept möchte man das Unternehmen voranbringen und den Standort stärken?
Wir müssen uns auf die Montage hochwertiger Elektrofahrzeuge konzentrieren! Die Nachfrage steigt ständig und die Montagekapazitäten in Europa sind begrenzt. Deutschland ist immer schon Vorreiter für technisch herausragende Produkte gewesen und das kann durch den Montagestandort maßgeblich unterstützt werden. Es entstehen derzeit völlige neue Märkte für E-Bikes und es gibt völlig neue Absatzkanäle, Absatzmittler und Zielgruppen. Wer in Deutschland montieren kann, findet neue Abnehmer für ein neues hochwertiges Produktangebot. Das war mit normalen Fahrrädern einfach nicht möglich.
Konzentrieren Sie sich voll auf das E-Bike-Segment?
Da wir derzeit keine Standard Fahrräder bauen, liegt der Anteil der E-Bikes bei 100 Prozent. Auch die Montage arbeitet sicher mit hochwertigen E-Bikes deutlich rentabler als in den Vorjahren. Wir setzen auf Elektromobilität. Denkbar ist auch die Montage anderer E-Fahrzeuge auf zwei, drei oder vier Rädern. Besonders interessant ist hierbei das Lastenrad- Segment.
Welche Rolle spielen künftig die bekannten Marken wie Steppenwolf und Grace?
Steppenwolf ist eine überaus interessante hochwertige deutsche Marke. Wir arbeiten mit Hochdruck an einem „Comeback“ in 2023. Steppenwolf hat sicher einen festen Platz in der Bike-Szene in Deutschland und sehr viele Anhänger, die auf neue Modelle warten. Steppenwolf kann im sportiven MTB- und Trekking- Segment das Markenportfolio zu Saxonette ergänzen. Grace könnte hier im Folgenden im Urban-Lifestyle-Markt platziert werden und das gesamte Portfolio abrunden. Die drei Marken ergänzen sich perfekt in Produkt und Leistung für unterschiedliche Absatzkanäle, Zielgruppen und Preissegmente.
Werden Sie den überregional bekannten Markennamen „Mifa“ in irgendeiner Form nutzen?
Der Markenname „Mifa“ hat leider in den letzten Jahren stark gelitten. Wir denken, dass es derzeit aussichtsreicher ist, die Marken Saxonette, Steppenwolf und Grace in den Vordergrund zu rücken. Zweirad Union soll als Marke zur Gewinnung von Montageaufträgen aus dem In- und Ausland genutzt werden. Die Produktion der eigenen Marken hilft, das Image aufzubauen.
Für welchen Markt wollen Sie künftig Fahrräder produzieren?
Unser Fokus liegt zunächst schwerpunktmäßig auf dem deutschen Markt. Generell jedoch in der Region Deutschland-Österreich-Schweiz. Hier kennen wir die Marktteilnehmer und Absatzkanäle seit vielen Jahren. Wir werden aber sicher die Eurobike-Messe Anfang September als Internationale Plattform nutzen, um Kunden aus anderen Ländern Europas zu gewinnen.
Welche Folgen haben Sie bei Zweirad-Union durch die Corona-Krise gespürt?
Für die Fahrradbranche war 2020 ein sehr gutes Jahr. 2021 zeigt ein weiteres deutliches Wachstum. E-Bikes werden trotz - oder gerade wegen - Corona weiter stark nachgefragt. Urlaub in Deutschland und auf dem eigenen Rad liegt weiter im Trend. Städte forcieren Radwege und das E-Bike ist eine echte Alternative zum Auto geworden. Die öffentlichen Verkehrsmittel werden auf der Kurzstrecke gerne gemieden. Die Lieferengpässen haben zunächst zu stark gestiegenen Logistikkosten geführt. Mit Unterstützung unserer Lieferanten werden wir auch in 2022 weiter wachsen. Dabei müssen wir sicher ein Höchstmaß an Flexibilität zeigen.
Sehen Sie perspektivisch Probleme, Fachkräfte für Ihr Unternehmen in Sangerhausen zu akquirieren?
Mit steigender Attraktivität des Montagestandortes und einer optimierten Produktion werden wir sicher auch für qualifizierte Arbeitskräfte künftig ein attraktiver Arbeitgeber. Es wird auch darum gehen, bestehende Kräfte weiter zu qualifizieren.
Welche Rolle spielt der Standort hier in Sangerhausen im Gesamtunternehmen Zweirad Union?
Die Montage ist das „Herzstück“ des Unternehmens und mit der zentralen Lage in Deutschland sicher Motor des Wachstums. Insbesondere wegen der hohen Logistikkosten und der schwierigen Zuliefersituation garantiert der Standort ein hohes Maß an Flexibilität und Kundennähe. „Made in Germany“ liegt sicher auch in der E-Mobilität im Trend.