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Märchenbraut gesägt Märchenbraut gesägt: In Hohlstedt entsehen aus Holzstämmen Kunstwerke

Von Ralf Kandel 19.06.2017, 08:00
Marvin Gabler ist einer der Künstler, die mit der Kettensäge in Hohlstedt fantastische Skulpturen erstellten.
Marvin Gabler ist einer der Künstler, die mit der Kettensäge in Hohlstedt fantastische Skulpturen erstellten. Ralf Kandel

Hohlstedt - Interessiert betrachtet Marvin Gabler den Hintern der Frau. Nein, makellos findet er ihn nicht. Kurzentschlossen schreitet der junge Mann aus Frankfurt/Oder zur Tat, besser gesagt zur Säge. Dann macht er sich daran, ihr den Hintern zu bearbeiten. So lange, bis er perfekt passt. Böse Blicke der Vorbeigehenden bringt ihm das nicht ein. Eher anerkennende Worte. Marvin Gabler ist nämlich einer von 29 Frauen und Männern, die beim Kettensäge-Künstlertreffen in Hohlstedt dabei sind.

Der Frankfurter ist, wie seine Mitstreiter auch, vom Fluidum der Traditionsveranstaltung in der kleinen Gemeinde an der Bundesstraße 80 schlichtweg begeistert. „Schon wenn man auf den Platz kommt, die Sägen hört, die Luft schnuppert... Das ist einmalig, das ist wie bei der Formel 1“, bringt Marco Wedekind die Gefühlswelt der Künstler euphorisch auf den Punkt. Der Hainröder zählt zum Stamm-Publikum, wie Frank Müller aus Bad Düben ist er zum achten Mal dabei.

Diesmal hat sich der 48-Jährige, passend zum ausgegebenen Thema Kinderträume, den Drachen Fuchur ausgesucht. Drei Meter lang ist das Stück Pappel, das Wedekind gemeinsam mit Sohn Toni nun bearbeitet. Wedekind Junior war es, von dem die Idee stammt. In gut zwölf Stunden Arbeitszeit soll die Fantasie-Figur fertig sein, kein Wunder dass die Holzspäne nur so fliegen.

Die 29 Künstler, die in diesem Jahr, traditionell am dritten Juni-Wochenende, auf dem Hohlstedter Sportplatz stehen, sind neuer Teilnehmer-Rekord. Im letzten Jahr waren es 27, damals schon eine neue Bestmarke. „Der gute Ruf unseres Treffen spricht sich in den Schnitzer-Kreisen eben herum“, sagt Bernhard Richter. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Volkskunst- und Heimatvereins Südharz, der das Fest wie immer organisiert.

Dann fügt Richter hinzu: „Wir haben uns den guten Ruf in den vergangenen acht Jahren aber auch hart erarbeitet. Es gefällt den Schnitzern und unseren Gästen ganz einfach. Mit der Resonanz sind wir auch diesmal wieder zufrieden.“ Und warum gibt es am Ende der zweitägigen Veranstaltung keine Krönung der besten Werke? Fast entgeistert schaut Richter angesichts dieser Frage. Schnell antwortet er: „Wir maßen uns doch nicht an, hier eine Wertigkeit vorzunehmen.“

Eine der zwei teilnehmenden Frauen ist Anja von Grünhagen aus Haltern am See. „Vor sechs Jahren habe ich am Tag vor meinen Geburtstag im Fernsehen mal eine Sendung über Kettensägen-Künstler gesehen. Ich war so begeistert, dass mir mein Mann dann zum Geburtstag eine Säge geschenkt hat. So hat alles begonnen“, erzählt die 46-Jährige. Bevor sie weiter sägt und schnitzt, spricht sie den Gastgebern ein Lob aus. „Hier ist es einfach toll.“

Das findet auch Silvia Riegler aus Wippra, die zu den Stammgästen gehört. „Für die Kinder aus dem Gänseblümchen und auch für mich ist es immer ein Riesen-Erlebnis.“ Eines der von einem Kettensägen-Künstler geschaffenen Kunstwerke hat sie im Gepäck.

An den großen Skulpturen, die zum Motto passen sollen, wird derweil längst wieder gesägt und gebastelt. Toni Nowak aus Leipzig ist einer derjenigen, der immer wieder prüfend schaut, sein entstehendes Kunstwerk mustert. Ist er mit sich und dem Geschaffenen zufrieden? „Man kann alles noch toppen. Wer sich zufrieden gibt, entwickelt sich nicht weiter“, sagt er.

Derweil hat Marvin Gabler die Formen seiner Märchen-Braut längst weiter perfektioniert. Am Hinterteil und überall. So, wie es ihm schließlich gefällt.  (mz)

Anja von Grünhagen in Aktion.
Anja von Grünhagen in Aktion.
Ralf Kandel