1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Sangerhausen
  6. >
  7. Interview: Interview zum Totensonntag: Pflegedirektor spricht über menschenwürdiges Sterben im Krankenhaus

Interview Interview zum Totensonntag: Pflegedirektor spricht über menschenwürdiges Sterben im Krankenhaus

20.11.2016, 10:00
Natürlich hofft man auf Heilung, wenn man ins Krankenhaus geht. Doch mehr als 40 Prozent der Deutschen sterben nicht in den eigenen vier Wänden, sondern in einer Klinik. Auch in Sangerhausen gehört der sterbende Patient zum Klinikalltag.
Natürlich hofft man auf Heilung, wenn man ins Krankenhaus geht. Doch mehr als 40 Prozent der Deutschen sterben nicht in den eigenen vier Wänden, sondern in einer Klinik. Auch in Sangerhausen gehört der sterbende Patient zum Klinikalltag. Maik Schumann

Sangerhausen - Wer ins Krankenhaus geht, hofft natürlich auf Heilung. Und wenn nicht auf Heilung, so doch wenigstens auf eine Besserung seiner Situation. Was aber, wenn es keine Hoffnung mehr gibt? Was, wenn man zu alt, zu krank, zu schwach, zu sehr verletzt ist? Obwohl die meisten Menschen gern daheim sterben möchte, ist doch für mehr als 40 Prozent der Deutschen das Krankenhaus der Sterbeort.

Mittlerweile gehört das Sterben genauso wie die vollständige Genesung eines Patienten zum Krankenhausalltag. Alltäglich ist das Sterben in der Klinik dennoch nicht. Redakteurin Beate Thomashausen sprach darüber mit Alexander Zscheile. Er ist der Pflegedirektor der Region Mitte und unter anderem für die Sangerhäuser Helios-Klinik zuständig.

Herr Zscheile, sterben im Krankenhaus - ist das nur etwas, was die Geriatrie und eventuell die Intensivstation angeht?

Alexander Zscheile: Keineswegs. Der sterbende Mensch begleitet uns in in allen Fachrichtungen. Natürlich vorrangig in der Geriatrie, wo unsere ältesten Patienten betreut werden. Der Tod begleitet unsere Arbeit aber auch in der Notfallmedizin, auf der Intensivstation, in der Kardiologie oder in der internistischen Abteilung und im schlimmsten Fall sogar auf der Kinderstation. Die meisten unserer Mitarbeiter werden irgendwann mit dem Sterben und dem Tod eines Patienten konfrontiert.

Sind die Mitarbeiter dafür gewappnet, mit Sterbenden und auch mit deren Angehörigen umzugehen?

Zscheile: Durch ihre Ausbildung natürlich. Aber in der Helios-Klinik gibt es aktuell Schulungen für alle Mitarbeiter - egal ob Ärzte, Schwestern oder auch anderes Personal -, bei denen es um das Thema Sterben im Krankenhaus geht und wie wir damit umgehen. Wir wollen Grundlagen vermitteln - zum Sterbeprozess, dazu was ein sterbender Mensch braucht, wie man ihm helfen kann. Aber auch zu Ritualen, die hierzulande üblich sind, wenn Menschen sterben. Es gibt zum Beispiel den Brauch, das Fenster zu öffnen, um die Seele zu entlassen oder den Spiegel zuzuhängen. Das respektieren wir. Es ist eine kleine Mühe, auf solche Wünsche einzugehen. Und natürlich gehen wir auch auf die Wünsche ein, wenn ein Verstorbener einem anderen Kulturkreis angehörte. Auch in anderen Ländern und Religionen gibt es bestimmt Bräuche, wie man mit Verstorbenen umgeht. Dem geben wir in der Klinik Raum und unterstützen es, soweit uns das möglich ist.

Wenn ein Patient im Sterben liegt, was wird dann im Krankenhaus für ihn getan?

Zscheile: Im Krankenhaus können wir selbstverständlich gewährleisten, dass der Sterbende nicht an Schmerzen leiden muss oder Ängste durchlebt. Aber außer der medikamentösen Behandlung wird der sterbende Patient auch in ein separates Zimmer gebracht oder die Patienten aus seinem Zimmer werden verlegt. Je nachdem, was einfacher zu bewerkstelligen ist. Wir versuchen, es ihm so angenehm wie möglich zu machen, öffnen die Fenster, um Sauerstoff hineinzulassen. Und natürlich informieren wir zuallererst seine Angehörigen. Den Sterbenden ist es wichtig, ihre Dinge zu regeln, noch Abschied nehmen zu können, noch mal jemanden zu sehen. Wenn es jemand wünscht, informieren wir einen Pfarrer. Ich selbst habe es sogar dreimal erlebt, dass Menschen noch auf dem Sterbebett im Krankenhaus geheiratet haben. Auch das gehört dazu, seine Dinge zu ordnen.

Wenn es aber nicht mehr möglich ist, seine Dinge zu ordnen, weil zum Beispiel eine Notoperation ansteht - sind Sie auf diese Fälle auch vorbereitet?

Zscheile: So gut es möglich ist, sind wir darauf vorbereitet. In der Notaufnahme gibt es zum Beispiel Nottestamente, so dass jemand noch seinen letzten Willen bekunden kann. Natürlich geht das nur mit Patienten, die noch bei Bewusstsein sind. Es ist den Menschen sehr wichtig, dass sie ihre Angelegenheiten noch regeln können. Sie sind dann ruhiger, gefasster. Mancher will einfach noch schnell festlegen, wer sich um den Hund kümmern soll.

Sie sagen, dass Sterbenden ein eigener Raum gegeben wird. Auf der Intensivstation ist das doch nicht möglich, oder?

Zscheile: Doch. Das ist möglich. Auch dort lassen sich Séparées schaffen. Durch Trennwände und Vorhänge zum Beispiel. Unser Hauptanliegen ist es, die Angehörigen so schnell wie möglich zu informieren, so dass sie die Möglichkeit haben, sich noch von dem Sterbenden zu verabschieden.

Gibt es einen Aufbettungsraum in der Sangerhäuser Klinik?

Zscheile: Nein, so etwas haben wir nicht. Auch keinen Andachtsraum so wie in anderen Kliniken. Dennoch machen wir es möglich, dass sich die Familie von ihrem verstorbenen Angehörigen verabschieden kann. Wenn die Familie dies so wünscht, bringen wir den verstorbenen Patienten in ein Zimmer. Er wird gewaschen und in ein Bett gelegt, damit die Angehörigen Abschied nehmen können, wenn sie es wollen. Wir respektieren es aber auch, wenn Angehörige das ablehnen, weil sie ihr Familienmitglied so in Erinnerung behalten wollen, wie sie ihn oder sie gekannt haben. Es wird kirchlicher Beistand organisiert und eventuell ein Psychologe dazugeholt, um den ersten Schock aufzufangen.

Sie sprechen von den Verstorbenen immer noch als Patienten. Warum?

Zscheile: Natürlich bleiben die Verstorbenen unsere Patienten, solange sie in unserem Haus sind. Da gibt es gar keine Frage. Sie werden von uns mit Respekt behandelt. Das gehört einfach zum menschenwürdigen Sterben dazu, dass wir den Menschen auch nach seinem Tod nicht als eine Sache oder einen Fall abtun.

Vielen Dank für das Gespräch.

(mz)

Pflegedirektor Alexander Zscheile ist für die Region Mitte und unter anderem für die Sangerhäuser Helios-Klinik zuständig.
Pflegedirektor Alexander Zscheile ist für die Region Mitte und unter anderem für die Sangerhäuser Helios-Klinik zuständig.
Schumann