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Mit schwerem Meißel auf den Kopf geschlagen „Ich hatte einen guten Grund“: Rottleberöder gesteht tödliche Attacke auf 77-jährigen Nachbarn

Angeklagter soll im Juni einen Senioren mit einem Meißel angegriffen haben. Wieso ihm dennoch keine Strafe droht.

Von Frank Schedwill Aktualisiert: 12.01.2022, 16:12
Das Landgericht Halle
Das Landgericht Halle (Foto: imago images/Christian Grube)

Rottleberode/Halle/MZ - Er wurde in Handschellen, Fußfesseln und in Begleitung von gleich vier Justizbeamten aus einer psychiatrischen Klinik in den Saal 141 des halleschen Landgerichts gebracht. Der mittlerweile 42-jährige Rottleberöder Michael J. muss sich seit Mittwoch in einem sogenannten Sicherungsverfahren vor der 1. Großen Strafkammer wegen zweier brutaler Verbrechen verantworten, die im Frühsommer vergangenen Jahres für Entsetzen gesorgt hatten.

Staatsanwalt Hendrik Weber warf dem Rottleberöder in der Anklage Totschlag, versuchten Totschlag sowie gefährliche Körperverletzung und einen Angriff auf Vollstreckungsbeamte vor, die der unter paranoider Schizophrenie leidende Angeklagte im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen haben soll.

Rentner starb an den massiven Verletzungen

Am Abend des 28. Juni vergangenen Jahres sei der Angeklagte gegen 17.15 Uhr plötzlich auf einem benachbarten Grundstück nahe des Rottleberöder Schlossteichs erschienen und habe dem 77-jährigen Nachbarn mit einem 1,63 Meter großen und 6,2 Kilogramm schweren Pressluftmeißel, den er mitgebracht hatte, mindestens zweimal wuchtig auf den Kopf geschlagen.

Der Rentner, der gerade mit seiner Frau beim Abendbrot saß, erlitt bei der brutalen Attacke ein offenes Schädel-Hirn-Trauma, Frakturen des Schädels und massive Hirnblutungen. Trotz schneller medizinischer Behandlung verstarb das Opfer am 22. September vergangenen Jahres in einer Klinik - offenbar, ohne das Bewusstsein je richtig wiedererlangt zu haben.

Der Angeklagte wurde  unter großen Sicherheitsvorkehrungen in den Saal 141 des halleschen Landgerichts gebracht.
Der Angeklagte wurde unter großen Sicherheitsvorkehrungen in den Saal 141 des halleschen Landgerichts gebracht.
(Foto: Frank Schedwill)

Angriff auf Polizisten des Sondereinsatzkommandos

Gegenstand der Anklage sind außerdem Angriffe auf Polizisten eines Sondereinsatzkommandos (SEK): Nach der Tat hatte sich der Mann in seinem Wohnhaus verbarrikadiert. Nachdem eine Kontaktaufnahme scheiterte, öffneten die SEK-Beamten die Haustür per Kettensäge und begaben sich unter ständigem Rufen „Polizei!, Polizei!“ in das Haus.

Der Beschuldigte soll dann den selben Meißel einem der Polizisten mit voller Wucht gegen den Kopf geschlagen haben, wobei er laut Anklage den Tod des Beamten billigend in Kauf nahm. „Der Polizist erlitt nur aufgrund des getragenen Schutzhelmes keine erheblichen Verletzungen“, sagte Weber.

J. räumte die Taten zum Prozessauftakt zum Großteil ein. „Ich hatte einen guten Grund den Mann zu erschlagen“, sagte der 42-Jährige in einer wirren Erklärung, die im Zuschauerraum kaum zu verstehen war. In dieser machte er den 77-Jährigen für den Tod seiner Schwester mitverantwortlich, die in jungen Jahren gestorben war.

Angeklagtem droht keine Haftstrafe

Die Lebensgefährtin des Getöteten sagte dagegen, man habe mit der Familie des Angeklagten nie Streit gehabt. Allerdings habe J. ihren Lebensgefährten vor über zehn Jahren bezichtigt, er sei schuld gewesen, dass er keinen Job im Streichelzoo des Ortes bekommen habe. „Wir hatten mit dem Streichelzoo aber überhaupt nichts zu tun“, sagte die Zeugin.

Später fügte sie hinzu: Sie habe erst gedacht, dass Besuch kommt, als am Abend des 28. Juni die Gartentür klapperte. Dann sei auf einmal der Angeklagte mit der erhobenen Stange erschienen. „Ich habe gleich gewusst, jetzt passiert was Entsetzliches.“ Sie habe mehrfach geschrien, sei schnell ins Haus gelaufen und habe versucht, per Handy schnell Hilfe zu holen. Als sie zurück nach draußen kam, „lag mein Lebensgefährte auf dem Boden in einer großen Blutlache, das Gesicht zerschlagen und die Lippe gespalten.“

Aufgrund seiner Krankheit droht dem Angeklagten keine Strafe, sondern ein weiterer Aufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus. Die Kinder des Opfers, die als Nebenkläger auftreten, fordern, den Mann dort dauerhaft unterzubringen. „Von ihm darf nie mehr Gefahr ausgehen“, sagte der älteste Sohn der MZ. Für den Prozess sind drei weitere Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil könnte am 27. Januar fallen.