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"Alte Pfarre - neue Wege" "Alte Pfarre - neue Wege": Frischer Wind in betagtem Fachwerkhaus

20.02.2001, 18:38

Hayn/MZ. - "Früher war es das geistige, geistliche und kulturelle Zentrum im Dorf. Schon von der Tradition her ist es das alte Fachwerkhaus wert, in Ordnung gebracht und neu hergerichtet zu werden." Viola Hein, Bürgermeisterin des Ortes und Vorsitzende des Ende vorigen Jahres gegründeten Vereins "Alte Pfarre - Neue Wege", sagt das sehr überzeugend. Dabei lässt sie den Blick über das 1754 erbaute Fachwerkhaus schweifen. Das alte Gebäude in dem verwilderten Garten hat mit seinen notdürftig vernagelten Gefachen, der alterskrummen Steintreppe und den neuen Fenstern etwas rührend-beklagenswertes an sich. Und doch hat es etwas, was kein Neubau hat: Geschichte und einen über Jahrzehnte hinweg ins Bauwerk geprägten Charakter.

Ein bisschen verrückt und ganz schön mutig sind sie schon, die Vereinsmitglieder. Denn Arbeit ist kein Ausdruck für das, was sie sich mit dem Grundstück aufgehalst haben. Das sieht man außen, und innen sieht man es erst recht. Im April 2000 hätte beinahe das letzte Stündlein für die alte Pfarre geschlagen. Doch die Feuerwehr war schnell zur Stelle und rettete das Gebäude, das mit einigen schweren Brandwunden davon kam. Für einige im Ort sei die Feuerwehr zu schnell gewesen. Sie hätten es wohl lieber gesehen, so die Bürgermeisterin, dass dieser Schandfleck schnell aus dem Dorf verschwindet. Dass er verschwindet, dafür ist sie - wie alle anderen Vereinsmitglieder - mit ganzem Herzen. Aber es wird dauern, nur Schritt für Schritt passieren.

Bange machen gilt nicht für die Mutigen, die frischen Wind in das alte Fachwerkhaus bringen wollen. Im Moment nimmt der Wind das noch wörtlich: Er pfeift durch alle Ritzen des alten Fachwerks. "Mit der Fassade wollen wir anfangen", erklärt Liane Malik, die mit dem Kauf des Hauses alles ins Rollen brachte. Das Dach sei durch den Brand zwar geschädigt, aber erst einmal dicht. Um die Fachwerk-Konstruktion zu erhalten, müsse schnell etwas an der Fassade getan werden. "Das hat auch einen positiven Nebeneffekt", ergänzt Frau Hein: "Das Haus sieht gleich ganz anders aus. Und alle können sehen, dass etwas daran getan wird." Den ersten Schritt, um das Haus wieder zum Leben zu erwecken, hat der Verein noch im vorigen Jahr getan: Ein Kabelgraben wurde mit Hilfe eines Sponsors in den Felsboden geschachtet, um die Pfarre wieder ans Stromnetz anzuschließen.

Zwölf Räume, einen riesigen Boden und einen winzigen Keller gibt es im Pfarrhaus. Auf dem Boden soll eine kleine Wohnung für ein junges Ehepaar ausgebaut werden, das sich später mal um das Haus kümmern soll. Daneben wird es ein Musikzimmer, eine kleine Bibliothek, einen Meditationsraum und ein Seelsorgezimmer geben. Geplant ist im Haus auch eine Heimatstube, eine großzügige Begegnungsstätte, ein Versammlungsraum und ein gemütliches Zimmer, wo Skat gespielt werden kann. Für die Freizeitgestaltung Jugendlicher soll ebenso Platz geschaffen werden wie für Ruhe und Besinnlichkeit. Im winzigen Tonnengewölbe des Kellers könnte man sich gemütlich beim Wein treffen. Die gemauerten Nischen für die Weinflaschen sind noch erhalten.

"Was wir vorhaben, stößt nicht überall auf Gegenliebe", sagt Vereinsmitglied Annegret Busch. Das habe sie schnell gemerkt, als sie unterwegs war im Dorf, um Geld für das Pfarrhaus zu sammeln. "Erst war ich enttäuscht. Jetzt kann ich schon ganz gut damit umgehen, dass nicht alle so begeistert von unserem Vorhaben sind wie wir selbst." Treffe man dann auf offene Ohren, gebe das wieder neue Kraft. Und die wird der Verein brauchen, damit bald die neuen Wege in der alten Pfarre beschritten werden können.