Mehr als Spielerei Untersuchung gegen Angst vorm Arzt: Puppensprechstunde in der Kinderklinik des Harzklinikums in Quedlinburg

Quedlinburg - Wenn ein echter Notfall vorliegt, wird in der Kinderklinik des Harzklinikums in Quedlinburg auch schon mal ein Patient auf vier Pfoten behandelt. „Sie hatte einen Dorn in der Pfote.“ Die achtjährige Maja lächelt verschmitzt, handelt es sich doch bei ihrer Hündin um ein Plüschtier, kaum zwei Handbreit groß.
Für Julia Kresse ist sie an diesem Samstag aber lange nicht der außergewöhnlichste Patient – auch ein Einhorn mit Beinbruch war schon auf der Suche nach medizinischem Rat.
Kinderärztin Julia Kresse kümmert sich um die verletzten Plüschtiere der Kinder
Zum Tag der offenen Tür am Sonnabend schlüpft die Kinderärztin bereits zum dritten oder vierten Mal in die Rolle der Frau Puppendoktor Pille. Dass dieses Alter Ego für Kinder der heutigen Generation kein Begriff mehr ist, ist in der Puppen- und Teddysprechstunde egal.
So fällt auch das Fehlen der großen runden Brille gar nicht weiter auf. Zeitweise ist das Wartezimmer so überfüllt mit kranken und verletzten Puppen und Plüschtieren, dass zwei Ärzte alle Hände voll zu tun haben. Nicht selten sind es die Eltern, die ihre Kinder mitsamt ihrer Spielzeuge sanft zum Behandlungstisch schieben müssen.
Den Kindern spielerisch ihre Berührungsängste vor der Klinik, den Ärzten, den Gerätschaften nehmen – darum gehe es. „Warum sonst sollte es in der Kinderklinik einen Tag der offenen Tür geben?“ Kinderarzt Michael Wilms ist heute das zweite Gesicht hinter Puppendoktor Pille und betont, dass diese Aktion wichtige Vorarbeit leistet:
Blutdruck messen, ins Ohr schauen, per Stethoskop die Herztöne abhören
„Wenn Kindern bei Routineuntersuchungen mit fünf Jahren erstmals der Blutdruck gemessen wird, ist der Wert aufgrund allzu großer Nervosität oft kaum verwertbar.“ Die Puppensprechstunde setzt genau dort an. Selbst ins Ohr der kränkelnden Puppe schauen, das Stethoskop umlegen und den Herzschlag des hustenden Plüschpferds abhören. Obwohl hier aus einem Spielzeugarztkoffer heraus behandelt wird, geht am Ende noch jeder Patient optimistisch weiter in Richtung Apotheke.
Dort am Nebentisch hält Kinderkrankenschwester Katy praktisch für jedes Übel die passende Medizin bereit. Dass auf dem Rezept der Allgemeinen Puppenkasse oder der Hundeunfallkasse Hustenmedizin angeordnet wird und letztlich Gummibärchen in der Tüte landen – umso besser.
Auch die weit verbreitete Panik vor Spritzen wird hier erfolgreich kuriert. Wenn der Inhalt nach Apfelsaft schmeckt, ist das Leid eben nur halb so groß. Als die beiden Ärzte denken, sie haben bereits alles an Kuriositäten gesehen und geheilt, stellt der sechsjährige Jakub sein kleines Motorrad vor, das sich wegen eines schweren Schnupfens wieder und wieder überschlägt. Ein Pflaster und eine Apfelsaftspritze später scheinen Kind und Karren auf dem Weg der Besserung.
Auch die weit verbreitete Panik vor Spritzen wird hier erfolgreich kuriert
Dass viele der Krankheiten und Verletzungen sich spontan auf dem gut besuchten Innenhof erst ergeben haben, amüsiert die Ärzte. Selbst manche der Patienten stammen von hier: „Die Beine von meinem Luftballonfrosch Fred sind kaputt“, beklagt der vierjährige Milan.
Mit einem Druckverband schafft Puppendoktor Wilms schnell Abhilfe. Kurz darauf stellt sich heraus, dass ein kleiner Familienzwist hinter der Verletzung steckt, in die Milans siebenjähriger Bruder Mika und sein Plüschstorch verwickelt sind.
Letzterer landet nun auch auf dem Patiententisch – mit einer Froschvergiftung. Mama Michaela und Oma Gerda kommentieren vergnügt aus dem Hintergrund: „Besser als ein Storchenbiss!“ (mz)
