Tierarzt Jäger und Polizei kommen Tierarzt Jäger und Polizei kommen : Renneckes Keiler "Willi" erschossen

Quedlinburg - Mit einer Warnweste seiner Wildtierhilfe bekleidet, kam Jens Rennecke am Dienstagmorgen ins Amtsgericht Quedlinburg. „Ich habe eigentlich einen Einsatz“, sagte der Thalenser und berichtete von einem schwer verletzten Dachs. Der Einsatz aber musste warten - und Jens Rennecke sich vor Gericht verantworten.
Die Staatsanwaltschaft warf ihm Betrug vor. Während im Amtsgericht verhandelt wurde, lief in Thale die Aktion an: Renneckes Wildschwein-Zöglinge Berta und Willi sollten von dem Wohngrundstück geholt werden, auf dem sie seit 2015 leben. Dabei wurde der Keiler erschossen.
Keine uneingeschränkte Haltungserlaubnis auf dem Grundstück
Streit um die beiden Tiere gab es schon seit längerem: Jens Rennecke, der sich um Wildtiere in Not kümmert, hatte auch die einstigen Frischlinge Willi und Berta aufgepäppelt, die - inzwischen selbst mehrfach Eltern geworden - dem Wohngrundstück in Thale lebten. Aus Sicht von Rennecke ein angemeldeter und mit Besichtigungstermin abgenommener Schweinehaltungsbetrieb - woraus sich aus Sicht des Landkreises jedoch keine uneingeschränkte Haltungserlaubnis auf dem Grundstück ableiten lassen habe. Wiederholt hatte die Kreisverwaltung Rennecke aufgefordert, die Tiere auf einem anderen Grundstück unterzubringen. Zuletzt war ihm am 5. Juni - als das Bauordnungsamt schon einmal vor Ort war und ebenso Unterstützer Renneckes, die eine Erschießung der Tiere befürchteten - noch einmal eine Frist von acht Wochen eingeräumt worden.
Diese Frist sei im August abgelaufen. Trotzdem seien die Tiere nicht umgesiedelt worden, und der Kreisverwaltung seien auch keine Bemühungen Renneckes dazu bekannt, sagte Franziska Banse, Sprecherin des Landkreises Harz. Daher habe das Bauordnungsamt, das die entsprechende Verfügung erlassen habe, diese am Dienstag umgesetzt. Ein Tierarzt und ein Jäger seien hinzugezogen, die Polizei um Amtshilfe gebeten worden.
Franziska Banse: „Willi lag schon halb. Er sollte schon weggebracht werden, ist dann aber doch wieder aufgestanden.“
Vorgesehen gewesen sei, die Tiere nach Stangerode umzusiedeln, sagte Franziska Banse. Berta habe betäubt werden können. „Willi lag schon halb. Er sollte schon weggebracht werden, ist dann aber doch wieder aufgestanden“, sagte die Kreissprecherin. Es sei zu einer „für alle Beteiligten gefährlichen Situation“ gekommen, verwies sie darauf, dass Tiere dann auch „in Panik geraten“ würden. Der Jäger habe den 150 Kilogramm schweren Keiler erschossen.
„Seitens des Bauordnungsamtes hätte man sich gewünscht, dass das anders läuft. Man hätte das den Tieren gern erspart“, erklärte Franziska Banse. Ob die Wahl des Zeitpunkts der Aktion im Zusammenhang damit steht, dass Rennecke an diesem Dienstagvormittag vor Gericht erscheinen musste, dazu konnte die Kreissprecherin nichts sagen.
„Das war eiskalt. Von langer Hand geplant“, ist Rennecke überzeugt
Jens Rennecke erreichte die Nachricht, als er sich gerade um den verletzten Dachs in Sangerhausen kümmerte. „Das war eiskalt. Von langer Hand geplant“, sagte er am Telefon. Und dass Willi sich nicht betäuben lassen würde, sei bekannt gewesen. Er verwies auf den Versuch, den Keiler kastrieren zu lassen, was nach vier wirkungslos gebliebenen Betäubungspfeilen abgebrochen worden war.
Jens Rennecke hat sich am Dienstag vor dem Amtsgericht Quedlinburg verantworten müssen. Die Anklage: Obwohl er gewusst habe, dass eine Seniorin wegen Demenz unter Betreuung gestellt würde, soll er mit deren EC-Karte und der Pin Geld vom Konto der Frau abgehoben haben - insgesamt 6.200 Euro. Jens Rennecke räumte das ein.
Während Staatsanwaltschaft und Gericht ihm zu verdeutlichen versuchten, dass die Seniorin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr selbstständig handlungsfähig gewesen sei und er nicht mehr hätte über ihr Konto verfügen dürfen, sah Rennecke keine Schuld. Er und seine Familie seien mit der Frau befreundet gewesen, hätten sich um die Seniorin gekümmert, auch zuvor schon Geld für sie abgehoben, schilderte er. Bei der Anhörung wegen der Einrichtung einer Betreuung für die Seniorin - die diese nicht gewollt und gegen die sie auch Beschwerde eingelegt habe - habe er mit der Frau besprochen, dass es künftig schwer für sie sein werde, Dinge allein zu regeln.
Die Beschwerde der Frau, der vom Amtsgericht nicht gefolgt wurde, habe er an das Landgericht Magdeburg weitergeleitet, sagte Rennecke. Das, so sagte Richterin Antje Schlüter, erfolgte auch vom Amtsgericht. Das Landgericht ordnete eine erneute Begutachtung der Frau an. Die Seniorin habe dann angegeben, mit der Betreuung einverstanden zu sein und ihre Beschwerde zurückzunehmen, erklärte Antje Schlüter.
Zu den Geldbeträgen erklärte Jens Rennecke, dass er diese für die Seniorin „abgehoben und in Sicherheit gebracht“, also sie der Frau gegeben habe, die „in den allermeisten Fällen“ neben ihm am Geldautomaten gestanden habe. „Es war nicht Ihre Aufgabe, für die Frau Geld in so genannte Sicherheit zu bringen. Dafür sind Betreuer da“, machte Antje Schlüter dem Angeklagten deutlich. Zum Abheben sei er nicht berechtigt gewesen: „Das ist Computerbetrug“ - und für die Richterin ein „klassisches Beispiel dafür, wie Unwissenheit und Krankheit anderer ausgenutzt würden, um zu Geld zu kommen“. „Fakt ist: Sie sind Betrüger“, so die Richterin in der Begründung ihres Urteils, mit dem sie dem „für meine Begriffe noch sehr milden“ Antrag der Staatsanwaltschaft folgte: eine Geldstrafe von 200 Tagessätzen in Höhe von je 15 Euro und die Einziehung von 6.200 Euro zugunsten der Seniorin.
Jens Rennecke kündigte an, in Revision gehen, eine erneute Verhandlung zu wollen. „Dann mit meinen Zeugen. Die waren ja heute nicht da.“ (pek)
Wie der Thalenser hinzufügte, habe er inzwischen ein Ausweichgrundstück zwischen Thale und Neinstedt, auf das Willi und Berta umgesiedelt werden sollten. „Hätte der Landkreis mich informiert, hätte ich noch sagen können: Halt, stopp, das Schreiben kommt.“ Den Kreis so zu informieren, habe er wegen der Prozessvorbereitung verschoben. „Ich hätte mich am Mittwoch in aller Ruhe hingesetzt“, sagte Rennecke. „Mit so etwas habe ich nicht gerechnet“, fügte er mit Blick auf die Aktion in Thale hinzu. „Willi ist tot. Jetzt muss ich mich erst einmal sammeln.“ (mz)