St.-Blasii-Kirche in Quedlinburg St.-Blasii-Kirche in Quedlinburg: Wo Holz zu Marmor wird

Quedlinburg - Susanne Gerlach zupft etwas Watte ab, rollt diese um die Spitze eines Holzstabs. Dann taucht sie das Wattestäbchen in Wasser und tupft vorsichtig den Schmutz vom Gewand des Engels ab.
Während dieses teils noch mit einer grauen Schicht überzogen ist, zeigt sich an der bereits gereinigten Schulter der Figur, wie weiß und leicht glänzend diese einmal war.
Der Engel gehört zur üppigen Ausstattung des barocken Altars mit Beichtstuhl in der Kulturkirche St. Blasii in Quedlinburg.
Susanne Gerlach und Andree Tesch haben mit der Restaurierung des 1723 geweihten Kunstwerks begonnen, das nach einem Entwurf des Anhaltischen Landbaumeisters Heinrich Hoffmann durch den Bildhauer Johann Wilhelm Kunze sowie die Maler Heinrich Erdmann Riese und Gottfried Sommer geschaffen wurde.
Im Lauf der Jahrhunderte haben Schmutz und Witterung dem Kleinod zugesetzt, dass zudem zwischenzeitlich auch übermalt worden war.
„Wir sind jetzt in der Phase, wo die Dokumentation des Ist-Zustands erfolgt, die Oberflächen gereinigt und die Farbanstriche gefestigt werden“, erklärt Volker Barth, Sachgebietsleiter Hoch- und Tiefbau bei der Stadt Quedlinburg, die Auftraggeber für die Arbeiten ist.
Am Donnerstag gebe es dann einen Termin mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, bei dem noch einmal festgelegt werden soll, wie die weitere Restaurierung erfolgt.
Gefertigt wurde der Altar überwiegend aus Nadelholz. Solches Holz sei zwar häufiger für das Gerüst genutzt worden - aber für Figuren sei das „unüblich“, sagt Susanne Gerlach. So lasse sich Lindenholz viel leichter schnitzen.
Die farbliche Gestaltung sei nicht ungewöhnlich für die Barockzeit. Mit dieser „wird Holz zu Marmor erklärt“, verweist Andree Tesch beispielsweise auf die Figuren und Friese.
Säulen würden erscheinen, als seien sie aus Massivgold, „und das Schildpatt im Wappen ist ganz spannend“, so Tesch und fügt hinzu: „Das ist alles Illusion.“
Während diese im Wappen noch gut erhalten ist, ist das bei den weißen Oberflächen anders. „Man sieht: Sie waren alle poliert“, erklärt Susanne Gerlach.
Doch etliche dieser Flächen seien zerstört - durch Ruß von Kerzen und Leimfarbe, erklärt Andree Tesch. Bei früheren Versuchen, die Flächen zu reinigen, seien diese beschädigt, der Feinruß so „in die Tiefe getrieben“ worden.
„Dann war es nicht mehr ansehnlich, und man malt drüber.“
Groß waren die Schäden auch beim goldenen Strahlenkranzaufsatz des Altars - klimatisch bedingt.
„Der Strahlenkranz besteht aus dünnem Holz. Das kann besonders gut arbeiten. Die Vergoldung kann da nicht mit und fällt ab“, erklärt Susanne Gerlach.
Der Strahlenkranz ist inzwischen gereinigt und gefestigt. „Dort, wo die Farbschicht abgeplatzt ist, lassen wir ein Klebemittel dahinterlaufen“, erläutert sie, wie die Schichten gefestigt werden.
Bei den Arbeiten gehe es nicht darum, den Altar wieder wie neu zu gestalten, erklären die beiden Diplomrestauratoren. „Großes Gebot ist heute, dass man möglichst wenig neu ergänzt“, sagt Andree Tesch.
Es gehe darum, „dass man die ursprüngliche Aussage des Altars wieder zeigen kann“, erklärt Susanne Gerlach.
Mit dem Grau, das die weißen, wie poliertes Marmor erscheinenden Flächen überzog, sei diese Aussage „total zerstört“ gewesen, ergänzt Andree Tesch.
Die für den Erhalt des Kunstwerks dringend erforderlichen Arbeiten erfolgen mit Unterstützung aus dem Denkmalpflegeprogramm „National wertvolle Kulturdenkmäler“.
Dabei trägt der Bund 50 Prozent der Kosten, 40 Prozent kommen aus der Denkmalförderung des Landes Sachsen-Anhalt, 10 Prozent steuert die Stadt als Eigenanteil bei. Veranschlagt sind für die Sanierung insgesamt 66.000 Euro.
Die Arbeiten müssen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. „Unser Wunschziel ist bis Ende November“, sagt Volker Barth.
Die Förderung sei bereits 2017 bewilligt worden; aber im Vorjahr sei es nicht geschafft worden, die Restaurierung anzuschieben und umzusetzen. „Das Problem ist, dass man bestimmte Arbeiten nur bei bestimmten Temperaturen machen kann.“ (mz)

