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Selketalbahn Selketalbahn: Lückenschluss in Rekordzeit

Von ingo kugenbuch 09.05.2014, 20:28
Arbeiter beim Neubau der Strecke der Selketalbahn am Kilometer 32 am 17. August 1983.
Arbeiter beim Neubau der Strecke der Selketalbahn am Kilometer 32 am 17. August 1983. Alfred Bode Lizenz

strassberg/MZ - Dass Touristen und Eisenbahn-Freunde heute mit dem Dampfzug von Quedlinburg bis zum Brocken fahren können, verdanken sie der Energiekrise in der DDR. Zwar hatte bereits 1972 das ostdeutsche Verkehrsministerium entschieden, dass die Schmalspurbahn an der Selke erhalten und die Lücke zwischen Straßberg und Stiege wieder geschlossen wird. Aber höchste Priorität bekam der Lückenschluss erst Anfang der 1980er-Jahre, als dem Heizölkraftwerk in Silberhütte die Puste ausging und dort von 1982 bis 1984 ein neues Kohle-Kraftwerk entstand. Das benötigte pro Jahr an die 30 000 Tonnen Braunkohle. Wer konnte die besser herbeischaffen als die schnaufenden Dampfloks der Selketalbahn? Ab dem 3. Juni 1984 transportierte die Selketalbahn zwischen Stiege und Straßberg neben Kohle auch wieder Passagiere - ein historischer Tag.

„Für uns ist das ein Grund zum Feiern“, sagt Dirk Bahnsen, Sprecher der Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB), der MZ. „So ein Datum kann man nicht einfach verstreichen lassen.“ Darum wird die HSB am 3. Juni - exakt 30 Jahre nach der Öffnung der Strecke - einen Sonderzug von Quedlinburg nach Stiege schicken. „Und der hat ausschließlich Gewinner an Bord“, sagt er. Die Fahrkarten kann man nicht kaufen, sondern mit der MZ gewinnen.

Der Sonderzug zum 30. Jahrestag des Lückenschlusses zwischen Straßberg und Stiege startet am Dienstag, 3. Juni, um 8.50 Uhr in Quedlinburg. Schon an Bord gibt es Unterhaltung für die Gäste. Die Ankunft in Stiege ist für 12 Uhr vorgesehen. Auch dort ist ein buntes Programm geplant. Dauer: Etwa eineinhalb Stunden. Um 16 Uhr wird der Sonderzug mit vielen zufriedenen Passagieren in Quedlinburg zurückerwartet. „Alle werden auf ihre Kosten kommen“, verspricht Dirk Bahnsen, Sprecher der Harzer Schmalspurbahnen GmbH.

Die MZ verloste für dieses besondere Ereignis 25 Freikarten für jeweils zwei Personen. Wer mit von der Partie sein möchte, schickt eine Postkarte an die Redaktion Mitteldeutsche Zeitung, Turnstraße 8, 06484 Quedlinburg, Stichwort „Sonderzug“, oder eine Mail mit diesem Betreff an [email protected].

Bitte nicht den Absender und die Telefonnummer vergessen. Die Gewinner werden von der HSB per Post benachrichtigt. 

Dampfloks auf Sachalin?

Dass es überhaupt eine knapp 14 Kilometer lange Lücke im Streckennetz der Selketalbahn gab, war eine Folge des Zweiten Weltkriegs. „Als Reparationsleistung wurde die Strecke im Prinzip komplett von den Russen abgebaut.“ Von Stiege in Richtung Gernrode verschwand die Eisenbahnlinie bis zum Sommer 1946. Auf der Trasse lagen nur noch die Schwellen. Übrig blieben auch die Dampflok „Gernrode“, ein paar Güterwagen sowie der Triebwagen T1. Allerlei Legenden ranken sich um den Verbleib von 60 Kilometer Schienen, Loks und Wagen. „Es gibt Meldungen, dass das Ganze auf der russischen Pazifikinsel Sachalin gelandet ist“, sagt Bahnsen. „Doch es ist nie sicher geklärt worden.“

„Aber als der letzte Schienennagel gezogen wurde, hat man am anderen Ende schon wieder mit dem Aufbau begonnen“, sagt Bahnsen. Bereits im Sommer 1950 wurden die Abschnitte Gernrode-Straßberg und Alexisbad-Harzgerode wiedereröffnet. Nur der Wiederaufbau zwischen Straßberg und Stiege scheiterte vorerst, weil kein Geld mehr da war. Doch als klar war, dass das neue Kraftwerk in Silberhütte viel mehr Kohle brauchen würde, als man über die Harzer Straßen transportieren konnte, schloss sich auch diese Lücke - und zwar in Rekordzeit.

Zwar begann man schon 1981 mit den Rodungen, aber die eigentlichen Bauarbeiten an der 13,9 Kilometer langen Strecke dauerten nur rund sechs Monate. Wie Dirk Endisch in seinem Buch „Von der GHE zur HSB“ berichtet, kamen die ersten Beschäftigten des Gleisbaubetriebs Magdeburg am 23. April 1983 in Stiege an. Ihr Ziel war ambitioniert: Am 7. Oktober desselben Jahres sollte die Strecke fertig sein. Sie schafften es nicht ganz. Aber am 29. Oktober wurde das letzte Schienenstück eingesetzt - und am 31. Oktober fuhr die erste Lok.

38 Jahre Dornröschenschlaf

Zunächst rollten auf der Strecke „nach 38 Jahren Dornröschenschlaf“ (Bahnsen) nur Güterzüge. Der Start für den regelmäßigen Verkehr war am 12. Februar 1984. „Das war der beliebteste Zug der Eisenbahnfreunde“, sagt Bahnsen. Denn gleich zwei Dampfloks zogen die Braunkohle-Waggons hinter sich her. „Viele Jahre lang war das der Burner“, sagt Bahnsen. Ab dem 3. Juni fuhren auf der neuen Strecke dann auch wieder Passagiere in den Waggons mit. Rund 360 000 Reisende transportierte die Selketalbahn pro Jahr.

Für die Orte entlang der Bahnlinie ist der Lückenschluss bis heute ein Glücksfall. Ohne ihn würden weniger Touristen kommen, die jetzt von Quedlinburg aus bis ins Streckennetz von Harzquerbahn und Brockenbahn dampfen können. „Heute wäre solch ein Kraftakt fast unmöglich“, sagt Bahnsen. Darum sollte man ihn auch richtig feiern.