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Schüsse in Wernigerode Schüsse in Wernigerode: Psychologen sollen Schüler und Täterin helfen

Von Petra Korn und Ingo Kugenbuch 26.02.2013, 10:44
Hintereingang des Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums in Wernigerode
Hintereingang des Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums in Wernigerode Chris Wohlfeld Lizenz

Wernigerode/Mz - Einen Tag, nachdem ein 15-jähriges Mädchen im Gerhart-Hauptmann-Gymnasium in Wernigerode (Harz) mit einer Schreckschusspistole um sich geschossen und zwei Mitschüler verletzt hat, gibt es mehr Fragen als Antworten. Weder zum Motiv der Schülerin noch zur Herkunft der Waffe kann Silvia Niemann, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Magdeburg, gestern etwas sagen. So stehe man bei der Frage, woher die Waffe stammt und wie die 15-Jährige an sie herankam, „noch ganz am Anfang“. Hinsichtlich der Motive des Mädchens hoffe man „auf Erkenntnisse eines Gutachters“.

Die 15-Jährige ist derweil in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden, erklärt die Oberstaatsanwältin. Es müsse begutachtet werden, ob sie zum Zeitpunkt der Tat schuldunfähig gewesen sei und eine Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus in Betracht komme, oder ob sie vermindert schuldfähig sei. „Das alles muss uns erst ein Gutachter sagen“, sagt Niemann. Ob die 15-Jährige sich zu dem Geschehen äußert, will die Oberstaatsanwältin nicht sagen.

Die Schülerin hatte bereits im November 2011 Schüler und Lehrer an ihrem damaligen Gymnasium in Ballenstedt mit Messern und einer Axt bedroht und Feuer gelegt. Danach war sie in psychiatrischer Behandlung. Die Frage, ob hierbei etwas schiefgegangen ist, verneint die Oberstaatsanwältin: „Da gibt es nichts, was darauf hindeuten könnte.“ Wenn Mediziner sagten, die angewandte Therapie habe angeschlagen, könne das Mädchen entlassen werden. Bei der 15-Jährigen habe die Therapie auch eine bestimmte Zeit gewirkt. „Jetzt verfällt sie in ein altes Verhaltensmuster, aus welchen Gründen auch immer“, sagt Niemann.

Familie unter Schock

Die Familie des 14-Jährigen, der seine Mitschülerin überwältigen und ihr die Pistole entreißen konnte, steht derweil auch einen Tag nach den Schüssen noch unter Schock. „Ich konnte das bisher nicht verarbeiten, wir brauchen erst mal Ruhe“, sagt Vater Axel Holland, 51, aus Elbingerode im Oberharz. Er habe am Dienstag von seiner Mutter von den Vorfällen an der Schule gehört und sei dann sofort ins Krankenhaus nach Halberstadt gefahren. „Ich weiß heute nicht mehr, wie ich dort hingekommen bin“, sagt er. „Ich habe mir auf der Fahrt alles mögliche vorgestellt.“ Sein Sohn Janik habe durch die rund 20 Zentimeter neben seinem Ohr abgefeuerte Waffe möglicherweise ein Knalltrauma erlitten, sagt der Vater. „Außerdem hat er durch das Schießpulver Schmauchspuren an der Wange. Das sieht aus wie eine Tätowierung.“ Axel Holland wundert sich, warum die Eltern nicht darüber informiert worden sind, dass ein Mädchen, das schon einmal Mitschüler angegriffen hat, mit ihren Kindern zusammen zur Schule geht. „Das ist für mich ein Unding, völlig unerklärlich.“

„Klassenleiterin, Schulleitungsmitglieder und der Vorstand des Elternrates waren informiert“, sagt Torsten Klieme, Direktor des Landesschulamtes. Nach seiner Kenntnis soll sich das Mädchen noch vor den Sommerferien ihren Mitschülern gegenüber offenbart haben.

Im Gymnasium hat derweil die Aufarbeitung begonnen. Äußern will man sich dort nicht. Noch am Dienstag kamen die Lehrer zusammen. Sie erhielten eine Handreichung, wie das Geschehene mit den Kindern besprochen werden könne, sagte Martin Hanusch, Sprecher des Kultusministeriums. Gestern Morgen gab es für die Schüler Klassenleiterstunden. Am Nachmittag folgten dann Elternversammlungen statt.

Ängste kanalisieren

Unterstützung bekommt das Gymnasium auch von einer Schulpsychologin. „Die Schüler reagieren sehr unterschiedlich“, weiß Angelika Weber, schulpsychologische Referentin im Landesschulamt, die 2011 in Ballenstedt im Einsatz war. „Man versucht in Einzel- oder Gruppengesprächen, Fragen zu beantworten, Ängste zu kanalisieren, das Geschehene zu erklären, damit die Schüler aus der Angstschleife herauskommen und die Ereignisse einordnen können.“

Oft kommt die Frage nach dem Warum, die nicht beantwortet werden könne. Da müsse man ehrlich und transparent sein. „Die Kinder müssen das Gefühl bekommen, dass man nichts verheimlicht und ehrlich mit ihnen arbeitet.“ Es gebe aber auch Kinder, die nach solchen Gewalttaten traumatisiert seien. Weber berichtet von Symptomen wie Herzrasen, Schweißausbrüchen und starkem Weinen, die länger als drei Wochen anhalten.

Das Gerhart-Hauptmann-Gymnasium in Wernigerode.
Das Gerhart-Hauptmann-Gymnasium in Wernigerode.
Chris Wohlfeld Lizenz
Der Pressesprecher der Polizei im Harzkreis, Uwe Becker, war ein gefragter Mann am Tatort.
Der Pressesprecher der Polizei im Harzkreis, Uwe Becker, war ein gefragter Mann am Tatort.
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