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Quedlinburger Marktkirche Quedlinburger Marktkirche: Ein Fest für eine Orgel

16.05.2013, 06:12
Gottfried Biller an der Röver-Orgel in der Quedlinburger Marktkirche.
Gottfried Biller an der Röver-Orgel in der Quedlinburger Marktkirche. Chris Wohlfeld Lizenz

Quedlinburg/MZ - Der Hausneindorfer Orgelbaumeister Ernst Röver hat im Jahre 1888 ein großes Werk vollendet: In der Quedlinburger Marktkirche erklingt nun das größte Kircheninstrument der Region: mehr als 3 000 Pfeifen, drei Manuale. „Die hat mächtig Power“, sagte Kirchenmusikdirektor Gottfried Biller einst bei einer Kirchenführung über die nunmehr 125-Jährige, die ab Pfingstmontag mit einer Festwoche bedacht wird. Mit Gottfried Biller sprach Rita Kunze über dieses Ereignis.

Es gibt durchaus ältere Instrumente als die Orgel in St. Benedikti. Warum wird dennoch gefeiert?

Biller: Es ist schon ein außerordentliches Jubiläum. Gewiss gibt es ältere Instrumente, aber auch welche, die nicht so alt geworden sind. 125 Jahre sind das Ergebnis einer soliden Bauweise und einer kontinuierlichen Pflege.

Was macht diese Orgel zu etwas Besonderem?

Biller: Das Spielsystem basiert auf einer pneumatischen Kastenlade, wodurch die ganze Breite der romantischen Orgelliteratur problemlos dargestellt werden kann: Die Kraftübertragung durch Windschläuche erleichtert dem Organisten das vollgriffige Spiel entscheidend. Dadurch ist es auch möglich, mittels eines Knopfdruckes von einem Fortissimo urplötzlich in ein Pianissimo überzugehen, was in den Orgelwerken der Romantik oft vorkommt, denn deren Vorbild ist das große romantische Orchester, wie etwa bei Richard Wagner. Und diese Röver-Orgel ist ganz offensichtlich die größte aller Orgelbauten - mit 3 310 Pfeifen - seit der ersten Erwähnung eines Orgelbaus in der Marktkirche um 1510.

In der Marktkirche gab es zuvor andere Orgeln, was weiß man über deren Geschichte?

Biller: Es kam zu mehreren Um- und Neubauten. Zum großen Reformationsjubiläum 1717 existierten scheinbar zwei Orgeln in der Marktkirche. Sie wurden aufeinander eingestimmt, sodass ein gemeinsames Musizieren möglich war! Die größere von beiden hatte nachweislich 2 928 Pfeifen und war von der Größe her vergleichbar mit der Silbermann-Orgel der Frauenkirche in Dresden, der Domorgel im Freiberger Dom und sogar um zwei Register größer als die damalige Orgel im Magdeburger Dom!

Wie kam es dann zum Orgelbau durch Ernst Röver?

Biller: Die große Orgel musste 1834 durch einen Neubau ersetzt werden, bis dann schließlich die jetzige Orgel in Auftrag gegeben wurde, wobei es nicht ganz klar ist, ob es bauliche Gründe, zum Beispiel Holzwurm, oder Fragen des Zeitgeschmackes waren, die zu diesem Neubau führten. Klar ist, dass es im Sinne der Neubesinnung durch die „Orgelbewegung“ in den 1950er Jahren war, fünf Register im 2. Manual der jetzigen Orgel zu „barockisieren“.

Was wollte man dadurch erreichen?

Biller: Durch diese Veränderungen war es möglich, die nun wieder ins Bewusstsein rückenden Komponisten wie Dietrich Buxtehude oder Johann Sebastian Bach im Klangbild der Barockzeit darzustellen. Die Romantik trat in den Hintergrund.

Dieses Bewusstsein hat sich seit einiger Zeit wieder verändert. Es gibt Orgelneubauten, die mit ihrer Registerauswahl und ihrem Spielsystem versuchen, das breite Spektrum der zur Verfügung stehenden Orgelliteratur erlebbar zu machen.

Wie wird dies bei der Pflege der Orgel in der Marktkirche gesehen?

Biller: Vielleicht ist es besser, bestehende Instrumente zu erhalten und sie in ihren Originalzustand zurückzuführen. Das würde für diese Orgel bedeuten, dass die fünf Register wieder in ihren Originalzustand zurückgebaut werden. Daneben gibt es weitere bauliche Maßnahmen, zum Beispiel an der großen Windanlage oder am Spieltisch, die zum Erhalt der größten noch erhaltenen und spielbaren Röver-Orgel dienen. Einiges an Geld ist schon zusammengekommen. Vielleicht ist diese Festwoche ein entscheidender Durchbruch.