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Produktives Lernen bringt neue Chancen

Von Gerd Alpermann 11.04.2006, 15:04

Quedlinburg/MZ. - Ursprünglich waren es 21, "doch von zwei Schülern mussten wir uns trennen", erklärt Schulleiter Manfred Scherer. "Die Schüler gehen mit uns einen Vertrag ein, wer sich nicht daran hält, für den ist nach einer bestimmten Zeit Schluss." Für das "Produktive Lernen" konnten sich die Schüler in ihren jeweiligen Schulen bewerben. Ein gut einstündiges Gespräch gab den Ausschlag, wer genommen wurde und wer nicht. Bei 35 Bewerbungen wurden 21 genommen. Eine Gruppe kann 24 Schüler umfassen, nennt Manfred Scherer die maximale Klassengröße.

"Die Mehrheit sieht diese Form des Lernens als Chance an", sagen die beiden für das Projekt extra qualifizierten Lehrer Katrin Liebau und Dirk Reichert. Das besondere dieses Bildungsganges ist die Aufteilung der Woche. Drei Tage sind die Schüler für jeweils sechs Stunden in Unternehmen und Institutionen tätig, zwei Tage lernen sie in der Schule, unter anderem in den Fächern Mathematik, Englisch und Deutsch. Statt Zensuren gibt es Punkte, die sich aber für Zeugnisse umrechen lassen. Als besonders wichtig wird das Fach Kommunikation angesehen, nicht nur von den Lehrern. Die Schüler geben dort ihre Erfahrungen bei der Arbeit preis, reden aber auch über Probleme und Wünsche. Dabei wird die Gruppe in zwei Teams aufgeteilt, um jeden die Chance der eigenen Darstellung zu ermöglichen.

"Wir hätten nicht gedacht, dass es von den Firmen und Einrichtungen soviel Entgegenkommen geben würde", sagt Dirk Reichert. Alle drei Monate wird gewechselt, so dass die Schüler drei Arbeitsstätten im Schuljahr kennen lernen können, um ihre Stärken und Schwächen sowie Vorlieben zu erkennen. Bei Victor zum Beispiel, der vorher Gefahr lief zum zweiten Mal sitzen zu bleiben, hat der Wechsel sehr geholfen. "Ich hatte wenig Lust auf Schule und war wohl den Lehrern gegenüber recht unfair", gesteht er heute, hat aber nun ein festes Ziel. Zunächst war er in einer Tischlerei beschäftigt. "Ich dachte, das wäre ein Beruf für mich, doch nach einigen Wochen war dann doch klar: das will ich nicht." Inzwischen hat er in einem Hotel gearbeitet, dort beim Kochen geholfen und so viel Spaß an dem Beruf gefunden, dass er da nicht nur seine Zukunft sieht, sondern auch schon gefragt wurde, wenn im Betrieb Not am Mann war.

Eigentlich soll alle drei Monate ein neuer Arbeitsbereich kennen gelernt werden, doch wo sich bereits der Wunsch verfestigt hat und auch zu sehen ist, dass sich da etwas für die Zukunft abzeichnet, werden Ausnahmen gemacht. So will Steffi später in der Altenpflege arbeiten, hat sich dort bereits ausprobiert und ist zur Zeit in einer Kindertagesstätte eingesetzt. Im kommenden Schuljahr, wenn die ersten 19 den Hauptschulabschluss in der neunten Klasse anstreben, soll sie eine erneute Chance in einer Einrichtung erhalten, die ihrem Wunsch entspricht.

Im kommenden Jahr wird es dann zwei Gruppen geben, eine für die Klassestufe acht, für die sich jetzt beworben werden kann, und eine in der Klassenstufe neun. Dafür qualifizieren sich derzeit zwei weitere Lehrer. Eltern und Schüler, die mehr über das "Produktive Lernen" erfahren möchten, sind nach Ostern zum Tag der offenen Tür eingeladen.

Tag der offenen Tür zum Projekt "Produktives Lernen" in der Bosseschule in Quedlinburg: Donnerstag, 20. April, von 15 bis 18 Uhr; Informationsveranstaltungen: 15. Mai in der Bosseschule, 16. Mai in der Sekundarschule Harzgerode, 17. Mai in der Sekundarschule Gernrode und 18. Mai in der Sekundarschule Thale - jeweils um 18 Uhr.