Porträt eines Lokführers Porträt eines Lokführers: Unter Dampf im Harz mit der Schmalspurbahn

Wernigerode/DPA - Es ist 10.00 Uhr. Dienstbeginn für Dieter Hellmund. In der Lokeinsatzstelle der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) in Wernigerode wartet Nummer 997245-6 auf ihren Einsatz. Hellmund klettert in den Lokführerstand. Seine Ledertasche kommt auf ihren Platz hinter der schmalen Tür. Wie immer. Wie schon seit 34 Jahren. „Das muss alles seine Ordnung haben“, sagt Hellmund, der in seinem schwarzen Arbeitsanzug fast wie ein Schornsteinfeger aussieht. Viel spricht er nicht. Er macht lieber. Bis zur Abfahrt zum 1125 Meter hoch gelegenen Brockenbahnhof bleiben ihm 55 Minuten. Wasser und Kohle nehmen, abschmieren und die Bremskontrollen - Routine für Urgestein Hellmund, den dienstältesten HSB-Lokführer.
Lok und Lokführer eint das Baujahr 1956. Hellmund ist eher der stoische Typ. Er ist Triebfahrzeugschlosser und Absolvent der Lokfahrschule Güstrow. Seit 1972 ist er Teil der HSB, die 1993 Strecken, Personal und Technik von der Deutschen Reichsbahn übernahm. Im April geriet die heile Schmalspurbahnen-Welt in Aufruhr. Der thüringische Landkreis Nordhausen kündigte überraschend an, als Gesellschafter aussteigen zu wollen. Gegenwärtig hält der Kreis 20 Prozent der Anteile. Hauptkritikpunkt: Die Ausrichtung des Unternehmens, das sich nach Ansicht des Landkreises zu viel auf Sachsen-Anhalt und zu wenig auf Thüringen fokussiert. Am 28. Mai will der Nordhäuser Kreistag dazu weiter beraten.
Fest steht: Die Dampfzüge sind eine Augen- und Ohrenweide und wichtig für den Harztourismus. Urlauber aus aller Welt kommen, um sie fahren zu sehen. Der Clou: Die Spur ist nur einen Meter breit und damit 43,5 Zentimeter schmaler als normal. Das HSB-Streckennetz durch den Harz ist mehr als 140 Kilometer lang.
Noch 45 Minuten bis zur Abfahrt. Hellmund hat den Führerstand der 60 Tonnen schweren, pechschwarzen Dampflok gegen das enge Führerhaus eines kleinen, blauen Krans getauscht. Ein paar Mal gräbt sich der Greifer in den glänzenden Steinkohlenkoks aus Tschechien. „Der rußt nicht so“, sagt Hellmund. „Vier Tonnen passen hinten in die Lok.“ Im Lokführerstand herrscht Nostalgie. Alles ist massig, schwarz, aber viel weniger schmutzig als gedacht. Hellmund und Heizer Uwe Schwenecke (50) haben bis zur Abfahrt viele Male den Putzlappen in der Hand. „Die Lok ist doch wie ein Wohnzimmer“, sagt Hellmund. „Da will man es doch sauber haben.“
Ventile, Hebel und Schalter umranden den von innen glühenden Feuerkasten. Ein zwei Meter tiefer Schlund, gierig nach Koks und in Spitzenzeiten bis zu 1300 Grad heiß. Öffnet sich die Feuerklappe, strömt unerträgliche Hitze heraus. „Im Sommer werden es hier schon mal 65 Grad“, sagt Hellmund. „Da bist du für jeden Luftzug dankbar.“
Der 57-Jährige schaut rechts aus dem geöffneten Fenster. Die frische Harzluft weht ihm um die Nase. Die 33 Kilometer lange Brockenfahrt hat begonnen. Es geht vorbei an Häusern, Bahnübergängen und Gärten. Verlangen es die Schilder, zieht Hellmund am Pfeifenzug und lässt das charakteristische Signal einer Dampflok ertönen. „Bis wir oben sind, ist mein Kopf eine Rundumleuchte.“ Er kennt die Strecke aus dem Effeff. Trotzdem ist er wachsam. Hellmund hat nie gezählt, wie oft er schon auf den Brocken gefahren ist. „Ich kann das nicht mal schätzen“, sagt er.
Zugwechsel in Drei Annen Hohne. Auf gut 500 Höhenmeter steigen Hellmund und Schwenecke in eine baugleiche Lok mit sieben Waggons um. „Der andere Zug fährt weiter in Richtung Nordhausen, aber wir müssen ja auf den Berg.“ Je näher der Gipfel rückt, umso voller wird der Zug. Und umso mehr muss Hellmund winken - den Touristen, die mit dem Fotoapparat an der Strecke stehen und auf ein gutes Motiv hoffen.
Mit kaum 30 Kilometern in der Stunde erklimmt der Zug den Brocken. Im Innern der Lok ist es heiß und laut. Sie scheint sich mächtig anzustrengen. Hellmund schaut immer wieder auf die Bedienelemente. „Auf 29 von 33 Kilometern legt der Zug alle 30 Meter einen Meter Steigung zurück“, sagt er. „Im Durchschnitt liegen zwischen der Lok und dem letzten Wagen drei Meter Höhenunterschied.“ Ankunft auf dem Berg. Endstation für die Brockenbahn. Gleich geht's wieder talwärts. Hellmund tupft sich den Schweiß aus dem Gesicht. „Eins steht fest“, sagt er mit einem Lächeln. „Im nächsten Leben werd ich Eisverkäufer.“
