Kampf gegen den imaginären Gegner
Ballenstedt/MZ. - Der Blick wirkt starr und entschlossen. Nichts kann die Konzentration stören. Dann schreitet Luisa Ziemer vor. Mit Händen und Füßen nimmt sie den Kampf mit einem nicht vorhandenen Gegner auf. Der Betrachter könnte denken, dass die 15-Jährige eine mächtige Wut auf diesen Gegner im Bauch haben muss, denn wer ihr zwischen die Hände und Füße kommt, würde wohl mehr als nur einen blauen Fleck davon tragen.
Luisa Ziemer ist die erfolgreichste Karate-Kämpferin des Landes in ihrer Altersklasse im Bereich Kata. Das heißt, sie kann die vorgeschriebenen Bewegungsabläufe besonders präzise zeigen. "Sie hat einen unwahrscheinlichen Ausdruck in den Techniken. Wenn man ihr zuschaut hat man das Gefühl, dass sie die Kata richtig lebt, da drin steckt", schildert ihr Trainer Alexander Löwe. Der 24-jährige Gernröder ist Trainer des Landesstützpunktes in Ballenstedt, in dem Luisa, die aus Oschersleben kommt, seit drei Jahren ein bis zwei Mal wöchentlich trainiert. Doch das reicht bei weitem nicht aus, um so erfolgreich zu werden.
Jeden Tag widmet sich die Zehntklässlerin dem Kata-Training. Das ist hart, aber es zahlt sich aus. Luisa ist in den letzten Jahren mehrfach Landesmeisterin geworden, war schon Deutsche Meisterin, im vergangenen Jahr bei den Salzburg-Junior-Open Dritte und beim Krokoyama-Cup, dem größten europäischen Nachwuchsturnier, mehrfach Zweite.
Im Februar flog die Bundeskaderathletin erstmals nach London, um mit einer Karate-Kämpferin aus Wernigerode am Euro-Karate-Grand-Prix teilzunehmen. Das ist eine Wettkampfserie mit fünf Wettkämpfen, die außerdem in Schottland, Tschechien, Belgien und Holland ausgetragen werden. Beim ersten Start kam Luisa Ziemer auf den dritten Platz. "Es ist die Kraft, Dynamik und vor allem die lehrbuchförmige Präzision, die sie auszeichnet", meint Löwe. Luisa ist mit sieben Jahren zum Karate gekommen. Ihr Vater, der selbst mit dem Training begonnen hatte, nahm sie einmal mit. Doch es war zunächst nicht der Sport, der sie faszinierte. "Ich wollte eigentlich nur dahin, weil die so schöne Geburtstagsfeiern gemacht haben" gesteht Luisa heute. Sie begann mit dem Training, obwohl manche ihrer Freundinnen das nicht so toll fanden. "Du kämpfst ja gar nicht richtig", bekam sie oft zu hören. Doch das störte Luisa nicht. "Mittlerweile stellt man sich da hin und sagt, jetzt mache ich das einfach." Das Karate lernte sie schließlich nicht vordergründig, um sich selbst verteidigen zu können. Das war für sie Nebensache. "Es ist der Spaß am Wettkampf, sich zu bewegen und fit zu halten", der sie fasziniert und antreibt.
In Hötensleben, wo der Vater trainiert, wurde nach einigen Jahren nicht mehr wettkampfmäßig trainiert und durch den Kontakt zu Alexander Löwe, der im Landeskader aktiv ist, entschloss sie sich, nach Ballenstedt zu wechseln. Seit drei Jahren trainiert sie nun im Harz. Viel Zeit für andere Hobbys bleibt nicht. "Ein bisschen Lesen, Radfahren und Kraftsport", gibt sie an. Schließlich muss sie auch noch für die Schule lernen. Beruflich möchte Luisa nichts mit Karate machen. "Ich will Medizin studieren und natürlich vorher das Abitur machen", erzählt sie. Doch bis dahin wird sie sicher noch öfter auf Podestplätzen stehen und sich bei den Konkurrenten einiges abgucken. "International zu starten, das gibt schon einen Kick, wenn man zwischen Italienern und anderen steht". In diesem Jahr möchte sie zunächst einmal wieder Deutsche Meisterin werden.