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Heiliger Boden auf dem Berg

Von Andreas Bürkner 21.05.2006, 16:01

Quedlinburg/MZ. - In dem vom früheren Pfarrer Eckhardt Sehmsdorf textlich vorbereiteten und von über dreißig Einwohnern gestalteten Spiel wurde die lange Geschichte des kleinen Hügels vor Ort erlebbar. Es begann mit dem Steinzeitmenschen, der mit seiner Keule die Feinde vertrieb, und seiner Frau, für die die Bode einzige Waschgelegenheit war.

986 erfolgte schließlich auf Weisung des sechsjährigen Königs Otto III. auf dem Münzenberg die Gründung eines Benediktinerklosters durch die Äbtissin Mathilde. Herrlich, wie sich der noch unmündige Knabe (alias Sven Stockmann) darüber beklagte, kaum zum Spielen zu kommen und beim Regieren immer Mutter Theophano fragen zu müssen. Trotz Blitz und Donner, wogegen auch Heinrich II. keine Macht hatte, wurde das Kloster immer wieder auf- oder umgebaut, bis es zu Zeiten der Bauernaufstände 1523 endgültig zerstört wurde.

Schlechter Ruf erlangt

In die Mauerreste hinein begannen sich Verarmte, Land- und Heimatlose anzusiedeln, als Kesselflicker, Leineweber und Musiker, aber auch unter dem Motto beim Blick vom Berg "alled, wad de siehst, ist dien" als Diebe, was letztlich in der Stadt zum ewigen schlechten Ruf der Münzenberger führte. Davon lassen sich die heutigen etwa 100 Bewohner nicht mehr beeindrucken, sondern engagierten sich unermüdlich für ihren "heiligen Boden" und das Fest, deren Ideengeber der städtische Bauamtschef Manfred Krebs war. Er besorgte auch von den an der Sanierung beteiligten Baufirmen das nötige Geld, um den Abschluss der Arbeiten mit einem rauschenden Fest zu begehen. Blieben die Münzenberger am Freitagabend noch unter sich, so konnte sich das Volk einen Tag darauf über ein Kleinod der historischen Stadt selbst ein Bild machen, Handwerkern bei der Arbeit zusehen oder sich an leckeren Speisen und Getränken laben. Führungen gaben Einblicke in unbekannte Ecken, allerdings nicht ins Innere. Denn dort bewachen die Zwerge den Münzbergschatz, wie sie bei ihrem kurzen Abstecher an die Oberfläche verrieten.

Dass Tradition verpflichtet, bewiesen die Lieder der Quedlinburger von "La Marotte". Auch wenn sie selbst nicht auf dem Münzenberg geboren sind, so steckt aber das Blut der sogar per Denkmal von Professor Wolfgang Dreysse auf dem Marktplatz verewigten Musikanten in ihren Adern. Außer den ortseigenen Darstellern heimste Multitalent Richard Kahlig den meisten Beifall ein: Ständig im Wechsel, als Jongleur, Puppenspieler oder Gestalter von Luftballonfiguren, selbst seinen eigenen Großvater erweckte er zum Leben. Dem dreiundzwanzigjährige Kärntener (Österreich), derzeit Student einer Berliner Artistenschule, gelang es auch seinem Vorbild, dem tapferen Schneiderlein nachzueifern: Statt sieben Fliegen zu erschlagen wirbelte er allerdings sieben Bälle durch die Luft und fing sie auf, zur Begeisterung des zahlreichen Publikums.

Historischer Markt

Auch Verkaufsstände für Keramik, Wolle oder Holz und Drehorgel-Freddy aus Wittenberg, dessen zwischenzeitlich Kinderherzen erfreuenden, endlos erscheinenden Seifenblasen eine Besucherin neugierig auf die Rezeptur machte, trugen zur prima Stimmung eines kleinen Festes bei, das seine jährliche Fortsetzung finden sollte.