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Harz Harz: Busse ersetzen Triebwagen im Selketal

Von rita Kunze 23.07.2012, 14:11

quedlinburg/MZ. - Ein Triebwagen ist zwar keine Dampflok, aber wenigstens rollt er auf Schienen durchs Selketal. Wer dessen landschaftliche Schönheiten mit den Harzer Schmalspurbahnen (HSB) entdecken will, wird sich demnächst auf ein radikales Intermezzo einstellen müssen: Vom 1. August bis 30. September setzt das Unternehmen zwischen Quedlinburg und Stiege zeitweise Schienenersatzverkehr ein.

Der einzige Triebwagen für diese Strecke muss wegen der fälligen Hauptuntersuchung aus dem Verkehr gezogen werden. Ersatz hat die HSB dafür nicht, und "anstelle des Schienenersatzverkehrs diesellokbespannte Umläufe zu fahren ist wirtschaftlich nicht vertretbar", sagt Unternehmenssprecherin Heide Baumgärtner.

Bus statt Bahn - ausgerechnet bei den Harzer Schmalspurbahnen, die mit nostalgischen Fahrzeugen in reizvoller Landschaft werben: Der HSB-Betriebsratsvorsitzende Hans-Werner Pape sieht in der Triebwagen-Not, die zum Schienenersatzverkehr zwingt, einen unglaublichen Vorgang. "Wir haben das Land und den Landtag auf die Probleme mit den Triebwagen hingewiesen", sagt er. Bislang gebe es aber keine finanzielle Zusage aus der Landeshauptstadt, mit der die Sanierung weiterer Fahrzeuge gesichert wäre. Das Problem: Die Generalsanierung von zwei 60 Jahre alten Triebwagen kann sich die HSB derzeit offenbar nicht leisten. Die Fahrzeuge seien "technisch so marode, die brauchen eine Grundsanierung", erklärt Baumgärtner. Es stehe fest, dass bei diesen Fahrzeugen "große Betriebsgruppen" ausgetauscht werden müssen, und "das kostet eine Menge mehr als eine Hauptuntersuchung". Das Vorhaben werde ausgeschrieben, aber frühestens 2013 könne mit einer Sanierung begonnen werden.

Für Pape offenbart sich darin eine seit Jahren ungelöste Situation: "Länder und Gesellschafter haben ihre Zuschüsse seit 1993 nicht erhöht - und das bei immer mehr steigenden Kosten für Energie, Instandhaltung etc.", mahnt der Betriebsrat auf einem Flugblatt, das bewusst zur großen Jubiläumsfeier mit hochrangigen Ehrengästen und Honoratioren im Juni in Wernigerode publik gemacht wurde. Denn den Angestellten sei schon lange nicht mehr nach Feiern zumute. Dass jedes dritte Wochenende im Monat frei ist, sei inzwischen kaum noch gewährleistet, sagt Pape. Die Arbeitsbelastungen hätten die Schmerzgrenze überschritten, Löhne würden bis zu 20 Prozent unter Branchenniveau liegen.

Um auf die Probleme aufmerksam zu machen, wird Pape provokant: "Das ist der erste Schritt zum Ende der Selketalbahn." Auf diesem Streckenabschnitt würden die geringsten Einnahmen erzielt, so der Betriebsratschef, der Gesellschafter, Aufsichtsrat, Geschäftsführungen und die Landesregierungen von Sachsen-Anhalt und Thüringen in der Pflicht sieht zu handeln. "Damit nicht nach 125 Jahren das Ende der Schmalspurbahnen im Harz eingeleitet wird", wie es in dem Flugblatt heißt. "Wir wollen keine Schrumpfbahn im Selketal", steht darauf. Die Befürchtungen des Betriebsrats weist die Unternehmenssprecherin zurück: "Das ist ein erster Schritt zum Erhalt der Selketalbahn." Die Triebwagen sollten ja zur Hauptuntersuchung und danach wieder zum Einsatz gebracht werden. Finanzielle Einbrüche seien durch den Schienenersatzverkehr nicht zu befürchten, sagt Baumgärtner. "Die meisten Fahrgäste wollen mit einer Dampflok fahren", und deren Einsatz bleibe "selbstverständlich unberührt".