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Feuertod und Teufels-Buhlen

Von Rita Kunze 13.08.2007, 17:14

Quedlinburg/MZ. - Margarethe Ode ist eine kluge, fleißige Frau. Doch viel Geld hat die Hebamme aus Ditfurt nicht; ihr trunksüchtiger Mann sitzt zu gerne in der Schenke, als dass er für seine Frau und das baufällige Haus sorgen könnte. Um leben zu können, spinnt Margarete Flachs und befreit die Leute im Dorf auch schon mal gegen Bares von diversen Zipperlein. 1575 macht man ihr in Quedlinburg den Prozess wegen Hexerei. Sie stirbt qualvoll auf dem Scheiterhaufen.

Die Prozessakten liegen bis heute im Quedlinburger Rathaus. Spärliche Überreste dunkler Zeit, denn außer Akten zum Fall einer weiteren "Hexe" ist nichts geblieben. Margrid Reitzammer hat sie studiert. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin betreut die Historische Bibliothek im Schlossmuseum und beschäftigt sich seit 17 Jahren mit der Geschichte der Hexenprozesse. Begleitend zur aktuellen Sonderausstellung "monumenta litterarum - Kostbarkeiten aus den Sammlungen der Städtischen Museen Quedlinburg" im Schlossmuseum hat sie einen Vortrag über Bücher in der Ausstellung gehalten, deren Autoren für bzw. gegen die Hexenverfolgung eintreten, und über die so genannte Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V.. Der zweite Teil des Vortrags behandelte Hexenprozesse in Quedlinburg.

Unauffällige Stadt

"In Quedlinburg gab es weder besonders viele noch auffällige Hexenprozesse", sagt Margrid Reitzammer. Bekannt sind 39 Akten, angelegt zwischen 1569 und 1663. 1570 habe es mit 20 Prozessen deren größte Zahl gegeben, doch besonders eifrig schienen weder Ratsherren noch Inquisitionsrichter gewesen zu sein. Wenngleich es bemerkenswert erscheint, dass die Hexenprozesse erst begonnen haben, als die Reformation in Quedlinburg bereits Einzug gehalten hatte - Hexenverfolgungen gab es bei beiden Konfessionen.

Mit den Angeklagten war man nicht zimperlich; gefoltert wurde im Keller des Rathauses und im Schreckensturm, das sei belegt, so die Museumsmitarbeiterin. "Es gibt nicht nur Akten, sondern auch Rechnungen, aus denen man Schlüsse ziehen kann", erklärt sie. "Da musste der Henker bezahlt oder Holz für den Scheiterhaufen gekauft werden. Das war zwar nicht viel, aber kostete auch Geld, und ohne Genehmigung und Auftrag hat da keiner was getan."

Auch bei der Beweisaufnahme folgten Ratsherren und Kirchenmänner einem vorgeschriebenen Pfad. Folter gehörte ganz selbstverständlich zur Wahrheitsfindung, doch nicht ohne Einschränkungen: "Es war rechtlich festgelegt, dass ein Geständnis außerhalb der Folter abgelegt werden musste", so Frau Reitzammer. "Die Leute haben ja unter der Folter alles Mögliche gesagt, bis sie psychisch und physisch am Ende waren."

Das Protokoll von Margarethe Odes "hochnotpeinlicher Befragung" ist detailliert geführt. Die Folter bleibt auch ihr nicht erspart; man braucht ein Geständnis, schließlich geht es um den Tod eines Kindes: Die Hebamme soll einen kleinen Jungen auf dem Gewissen haben. Hauptzeugin ist Agnes Sanders, die Mutter des Knaben. 1575 kommt sie mit Mann und Kindern nach Ditfurt. Die Familie findet bei den Eheleuten Ode eine Bleibe. Doch nach einem Streit wirft die Hebamme ihre Untermieter aus dem Haus. Deren Kinder haben die Frau gern, kommen immer noch zu ihr. Agnes Sanders gefällt das nicht. Als ihr kleiner Sohn schwer krank wird, nimmt sie böse Rache: Die Odesche habe den Jungen verhext, erzählt sie. "Schadenszauber war eine harte Beschuldigung", weiß Margrid Reitzammer. "Den hat natürlich auch jeder geleugnet." Auch Margarethe Ode.

"Von Rechts wegen!"

Die Qualen der Folter indes brechen ihren Willen. Schon mehrfach hatte sie gestanden, was man von ihr hören wollte, und widerrufen, als sie wieder klar im Kopf war. Den Kindern der Agnes Sander Böses getan? "Nein, ich bin immer gut zu ihnen gewesen. Ich habe sie doch lieb gehabt", gibt Margarethe Ode zu Protokoll. Doch Agnes Sander will im Haus der Ode auch nächtlichen Feuerschein, gar einen Drachen gesehen haben: "Das wird der Mond gewesen sein, der durchs kaputte Dach geschienen hat", sagt die Hebamme. Doch nach schätzungsweise sechs Folterungen bricht die Frau zusammen. Schlussendlich hatte sie nicht nur Schadenszauber begangen, sondern auch mit dem Teufel gebuhlt - und Bürgermeister Ambrosius Rüle kann den lästigen Fall endlich abschließen: "... so ist sie geübter teuflischen Bulerei wegen mit Feuer zu leib und leben zu straffen. Von Rechts wegen!", lautet das Urteil des Gerichts.

Die eingestandene "Teufelsbuhlschaft" galt als Beweis für den Abfall vom Gottesglauben und als Ketzerei. Kirchliche und staatliche Macht waren eng miteinander verknüpft; das Volk sollte an die Amtskirche gebunden werden, und so war der Klerus eifrig darum bemüht, ein Hexenbild zu entwerfen, das wir noch heute kennen. "Bevor der Hexenhammer zur Anwendung kam, konnten die Menschen ihren christlichen Glauben und die Magie, etwa in der Kräuterheilung, noch irgendwie vereinbaren", sagt Margrid Reitzammer, "aber mit diesem Handbuch der Hexenverfolgung, verfasst von Heinrich Kramer und 1486 erstmals in Speyer veröffentlicht, war diese Zeit endgültig vorbei." Die Hexenprozesse hörten erst auf, als die Gerichtsprozesse nicht nur auf die Folter setzten, sondern vernünftige Beweise forderten.