1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Quedlinburg
  6. >
  7. Domschatz Quedlinburg: Domschatz Quedlinburg: Zwei Extra-Plätze im Flugzeug

Domschatz Quedlinburg Domschatz Quedlinburg: Zwei Extra-Plätze im Flugzeug

Von Gerd alpermann 23.08.2013, 19:24
Der Kamm Heinrich I.
Der Kamm Heinrich I. Detlef Anders Lizenz

Quedlinburg/MZ - Der 7. Januar 1991 war für Friedemann Goßlau, damals Pfarrer der Quedlinburger Domgemeinde, der entscheidende Tag. Neun Stunden dauerten die Verhandlungen in einem Londoner Hotel. Dann stand fest: Es gibt einen Vergleich und die 1945 geraubten Teile des Quedlinburger Domschatzes kehren zurück nach Quedlinburg. Bis dahin sollte es noch etwas dauern, denn die wertvollen Stücke mussten erst von Dallas nach Quedlinburg gebracht werden. Und an ihren angestammten Platz konnten sie erst kommen, als in der Stiftskirche die baulichen und sicherheitstechnischen Voraussetzungen geschaffen waren. So fand die feierliche Übergabe erst am 19. September 1993 in der Quedlinburger Stiftskirche statt.

Begonnen hatte der Kunstkrimi bereits Ende der 1980er Jahre, als das Samuhel-Evangeliar auf dem Kunstmarkt auftauchte und wieder verschwand. Noch gab es die DDR und eine deutsch-deutsche Kooperation war schwierig. Erst 1990 mit der Wende änderte sich dies. Nach und nach wurde der Name des Kunsträubers bekannt. Oberleutnant Joe Tom Meador hatte die in einer Höhle auf der Altenburg ausgelagerten Stücke 1945 gestohlen und mit der Post nach Texas geschickt. Nach seinem Tod wollten die Geschwister und Erben den Schatz zu Geld machen.

Rund 3,2 Millionen Dollar für die Rückkehr nach Quedlinburg

Der Kunsthistoriker Willi Korte fahndete nach dem Auftauchen des Samuhel-Evangeliars nach dem Verbleib und wurde in Texas fündig. Entgegen seinem Rat, es auf ein Gerichtsverfahren ankommen zu lassen, entschieden sich die deutschen Behörden für einen außergerichtlichen Vergleich. Noch heute, aber schon nach den Verhandlungen in London, an dem neben den Meadow-Erben, mehrere Rechtsanwälte und die Leiter der Kunststiftung der Ländern sowie Friedmann Goßlau als Vertreter der Kirchengemeinde teilnahmen, spricht der ehemalige Pfarrer von einem Glücksfall: „Der außergerichtliche Vergleich schuf die Voraussetzung für die Rückkehr des Schatzes. Bei einem Geschworenenprozess in Dallas hätte es ganz anders kommen können, zumal in den USA auch die Meinung vertreten wurde, der Schatz habe sich im Besitz der SS befunden.“

Der Vergleich sicherte den Meadow-Erben eine bestimmte Summe zu, die in drei Raten gezahlt wurde, insgesamt rund 3,2 Millionen Dollar. „Ohne dieses Geld wäre der Schatz nicht nach Quedlinburg zurück gekommen“, ist sich der heute 84-jährige Pfarrer im Ruhestand sicher. „Von den Meadow-Geschwistern verlangte die Finanzbehörden in den USA unabhängig von dem Vergleich Erbschaftssteuer“, weiß Friedemann Goßlau, der 28 Jahre von 1965 bis 1993 Pfarrer der Domgemeinde war. Er reiste zusammen mit seiner Frau im April 1992 in die USA, um den Schatz zurückzuholen. Im Gepäck hatte er das vorher schon zurückerlangte Evangelistar von St. Wiperti, welches derzeit aufgeschlagen in der Stiftskirche in Quedlinburg zu bewundern ist.

Die acht noch verbliebenen Domschatzteile sollten vor der Rückkehr nach Deutschland in Dallas ausgestellt werden. Dazu gab es die Übereinkunft, das Evangelistar nochmals in die USA zu bringen und es als ein Prunkstück in der Ausstellung zu präsentieren. „Dagegen wurde entschieden, das noch wertvollere Samuhel-Evangeliar nicht noch einmal auf Reisen zu schicken“, erinnert sich Friedemann Goßlau. Auf Einladung amerikanischer Kirchengemeinden weilte er vier Wochen in den USA, war unter anderem in St. Louis im Bundesstaat Mississippi zu Gast.

„Bis zur Rückkehr habe ich mir die Hand nicht gewaschen“

„Ich wurde herumgereicht, aber auch mit großer Herzlichkeit empfangen und begleitet“, denkt er an die Zeit vor über 20 Jahren zurück. Und er wurde immer wieder nach seinen Wünschen gefragt. So gastierte gerade Jazz-Legende Ella Fitzgerald in der Stadt. Sie zu erleben, der Wunsch wurde ihm sofort erfüllt. Er bekam nicht nur bevorzugte Plätze, sondern wurde ihr sogar persönlich mit Händedruck vorgestellt. „Bis zur Rückkehr habe ich mir die Hand nicht gewaschen“, bekennt er noch heute voller Freude.

Nach der vierwöchigen Ausstellung in Dallas konnten die Stücke dann endlich nach Deutschland gebracht werden. Drei Spezialkoffer standen dafür bereit. Auf dem Hinflug besaß das Evangelistar von St. Wiperti eine Flugkarte mit einem Fensterplatz. Auf dem Rückflug nahmen die drei Koffer zwei Mittelplätze ein, flankiert von Friedemann und Ursula Goßlau. Erste Station in Deutschland war das Kunstgewerbemuseum in Berlin. Dort wurden nicht nur die wiedergewonnenen Stücke gezeigt, sondern auch die in Quedlinburg verbliebenen. Es fand auch eine erste Restaurierung statt. Den Stücken aus Quedlinburg wurde Feuchtigkeit entzogen. „In den 1960er Jahren waren in der Quedlinburger Stiftskirche Nischen für die Schätze im Sandstein geschaffen worden, was den Stücken aber nicht besonders gut bekam“, erklärt der Pfarrer im Ruhestand.

1993 waren dann die Voraussetzungen in der Stiftskirche geschaffen und der Schatz konnte zurückkehren. Die Festrede am 19. September 1993 hielt die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth. Von ihr stammen die Wort: „Quedlinburg hat seine Identität und Seele zurückerhalten.“ Doch im Redemitschnitt fand Friedemann Goßlau die Worte nicht: „Ich zweifelte schon an mir, bis ich mir das Redemanuskript nochmals vornahm.“ Dort seien die Worte verzeichnet, aber beim Festakt dann weggelassen worden, warum auch immer.

An die Rückkehr des Domschatzes vor 20 Jahren erinnert am 15. September ein Festakt in der Stiftskirche und eine Ausstellung. Angekündigt ist auch ein neuer Bildband zum Domschatz.

Die Vorderseite des Reliquienkastens Otto I.
Die Vorderseite des Reliquienkastens Otto I.
Detlef Anders Lizenz
Ein Foto im Besitz von Friedemann Goßlau zeigt ihn mit dem Schatzjäger Willi Korte bei der Eröffnung der Schatzpräsentation in Quedlinburg.
Ein Foto im Besitz von Friedemann Goßlau zeigt ihn mit dem Schatzjäger Willi Korte bei der Eröffnung der Schatzpräsentation in Quedlinburg.
Detlef Anders Lizenz