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Chef wollte Jury vom Stuhl fallen lassen

Von Thomas Graßmann 30.09.2007, 17:44

Halle/MZ. - Durch die vielen Erfolge bei den Bezirksmeisterschaften in den 60'iger Jahren, spielten die Gernröder mittlerweile in der zweithöchsten Spielklasse und hatten sich 1970 für die DDR Meisterschaft der Leistungsklasse 1 in Rostock qualifiziert. Schon im Juni wurden die Gernröder zum zweiten Mal Bezirksmeister in Oschersleben. Im Juli dann das große Ereignis in Rostock.

Der musikalische Leiter, Ottomar Rieche konnte leider nicht mit, schrieb aber alles auf, was die Musiker beachten sollten. So auch " bringt den ersten Schlag des Marsches ff (laut), die Jury muss gleich vor Schreck vom Stuhl fallen, das wirkt immer.; .. Ich wäre glücklich, wenn Ihr einen guten Sprung nach vorn machen würdet, es wäre die größte Freude." Aber es begann mit einem bösen Erwachen: Der Stabführer Walter Gänsicke musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Jetzt war wirklich guter Rat teuer. Der Sportfreund Achim Witzel übernahm den Stab mit klopfendem Herzen. Bei der Aufstellung zum Pflichtprogramm begann es zu regnen. Aber das beirrte die Gernröder nicht, 48,85 Punkte, die bis jetzt beste Wertung von allen Zügen. Die Favoriten sollten erst noch kommen, aber nur Wismar war besser als die Harzer.

Beim Kürdurchgang gab jeder sein Bestes und voller Ungeduld wurde die Wertung des Kampfgerichtes abgewartet Es war wie ein Wunder, am Morgen noch schwer gehandicapt, erkämpften die Gernröder den dritten Platz, was den Aufstieg in die Sonderklasse, die höchste Spielklasse der DDR bedeutet. Rückblickend kann man feststellen, dass dieses einer der größten Erfolge in der Spielleutegeschichte von Gernrode war. Am Sonntag trafen die glücklichen Spielleute in Gernrode ein. Was diese hier erlebten, übertraf alle Erwartungen. Viele Leute, die Frauen der Spielleute und der Bürgermeister empfingen den Spielmannszug am Bahnhof. Dann ging es in einem wahren Triumphmarsch zum Rathaus, wo im Ratssaal der damalige Bürgermeister Hans Soldin ein paar Flaschen Bier spendierte.

Am 12. Juni 1971 fanden die Bezirksmeisterschaften der Spielleute in Gernrode auf der "Grube Grau" statt. Dieser Platz wurde in freiwilliger Aufbauarbeit durch die Spielleute und viele Betriebe aus der Umgebung hergerichtet. Letztendlich konnte der Vorjahressieg nicht wiederholt werden, es wurde der undankbare vierte Platz vor heimischem Publikum erreicht.

Ende August fanden in Oschersleben die 2. DDR-Meisterschaften für Spielmannszüge des DTSB statt. Für die Gernröder war die Teilnahme ein absoluter Höhepunkt. In der höchsten Spielklasse zu spielen und das Abstiegsgespenst im Nacken bei der großen Konkurrenz, bereiteten sich die Gernröder intensiv vor, mit allen Problemen in den Vorbereitungen, wie man sie heute auch noch kennt. So waren manche Trainingstage nicht gut besucht und bis zuletzt gab es immer irgendwo kleine Probleme. Aber die Mühe hatte sich gelohnt, am Ende wurde der elfte Platz erreicht, was den Verbleib in der Sonderklasse bedeutete. Zumindest zu diesem Zeitpunkt.

Es gab einen Beschluss der zentralen Spielleutekommission, dass jedes Sonderklassenkollektiv einen Nachwuchsspielmannszug haben muss. Diese Forderung wurde leider nicht erfüllt, bzw. wurde der Mädchenspielmannszug der BSG "Empor" Quedlinburg, den die Gernröder Spielleute ausbildeten, nicht anerkannt. Das bedeutete den Zwangsabstieg aus der Sonderklasse, was zu vielen Diskussionen führte, aber den Abstieg trotzdem nicht verhinderte.

In den nächsten Jahren stagnierten die Erfolge ein wenig. Im Jahr 1977 wurde eine neue Sektionsleitung gewählt. Werner Riebenstahl gab aus gesundheitlichen Gründen das Amt des Sektionsleiters in die Hände von Eckhard Graßmann. 1977 wurde dann auch in der ersten Leitungssitzung beschlossen, einen neuen Nachwuchsspielmannszug zu gründen. Das Ziel war es, am 1. September 1978 mit der Ausbildung an der Polytechnische Oberschule in Gernrode zu beginnen.