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Baumannshöhle von RübelandBaumannshöhle von Rübeland: Premiere für ein einmaliges Filmprojekt

Von Wolfgang Schilling 03.06.2015, 16:44
Bei der Filmvorführung in der Baumannshöhle.
Bei der Filmvorführung in der Baumannshöhle. Wolfgang Schilling Lizenz

Rübeland - Orte des Harzes, die in keinem Reiseprospekt zu finden sind, Werke, Sanatorien und Hotels, die heute keiner mehr bewohnt oder in denen längst jede Betriebsamkeit ruht. Sie sind die Lokalitäten für ein besonderes Filmprojekt, das den düsteren Seiten des Gebirges nachspürte.

An drei Tagen war ausschließlich Publikum anwesend, das aus der Szene der Geo-Cacher und an morbiden Gemäuern Interessierten dieses einmalige Projekt finanziell unterstützt hat. Die weiteste Anreise der 762 Unterstützer (Crowdfunding in sozialen Netzwerken) konnte ein Fan aus Nordfriesland melden („Wir haben bei uns keine Lost Places“). Produktionsleiter Tilo Esche zeigte sich in seinem Entree sehr angetan von der Spendenbereitschaft, denn schon nach einem Tag konnte man die notwendige Summe von 8.000 Euro für den Film durch Kartenverkauf und Kalender wie DVD-Reservierungen verbuchen.

In der Leipziger Ruinengängerszene ist das Team um den Kameramann Enno Seifried, der Bücher und Filme über verrottete Industriebauten und Hotels veröffentlicht hat, seit vielen Jahren Szenegrößen.

Bei einem Urlaub im Harz entdeckten die Sachsen ein neues Betätigungsfeld. Als Ergebnis einer zweijährigen Suche nach verfallenen Hotels, Sanatorien, Heimen und Fabriken ist nun am Wochenende im Goethesaal der Baumannshöhle von Rübeland ein 95-minütiger Film gezeigt worden. Dieser Streifen widmet sich verlorenen Orten, die es auch im Harz reichlich gibt.

„Vergessen im Harz“ betitelt, macht der Film betroffen und zeigt, was aus einst prosperierenden, architektonisch beeindruckenden Häusern durch Rüstungswahn in der Nazizeit, deutsche Teilung, Missmanagement, Gesundheitsreformen oder eben auch die umstrittene Tätigkeit der Treuhand nach 1989 in weniger als 70 Jahren geworden ist.

Sei es eine alte Munitionsfabrik bei Clausthal-Zellerfeld, die zu Nazizeiten TNT für Kriegswaffen herstellte und noch heute eine ökologisch kontaminierte Altlast darstellt, oder seien es alte Hotels wie der riesige Komplex des Harzburger Hofes in Bad Harzburg. Kliniken und Sanatorien, deren einstige Glanzzeit mit historischen Bildern und einem Kommentar aus dem Off zu den heutigen fast immer abrissreifen Objekten kontrastieren, zeigt Seifried im Auflösungszustand. Wären da nicht die Zeitzeugen, die aus ihrem Arbeitsleben in eben diesen Einrichtungen plastisch berichteten, der Film wäre für sensible Gemüter schwer erträglich.

Schleier von Wehmut, Traurigkeit, Resignation und zuweilen auch Wut

Es ist ein Verdienst der Crew, dass es ihr gelungen ist, nicht nur das drohende Ende zu dokumentieren, bevor der Abrissbagger zum Totengräber wird, sondern auch die Zeitzeugen reden zu lassen. Dass dies fast immer mit einem Schleier von Wehmut, Traurigkeit, Resignation und zuweilen auch Wut geschieht, gibt dem Film die entscheidende Qualität, erfüllt die Bauten nachträglich mit Leben. Die Geschichten hinter vergessenen Mauern werden selbst dann noch bleiben, wenn die Ruinen weg sind.

Mit der ehemaligen Psychiatrie in Großörner (Leerstand seit 2002), beschrieben vom damaligen Chefarzt Peter J. Feseler, beginnt der Streifen, wird mit der Kinderklinik Wippra (geschlossen seit 1997) und einer Rückschau der Krankenschwester Karin Paul auf ihre langjährige Arbeitsstätte fortgesetzt. Es folgen das Carlswerk, ein Hotel in Mägdesprung und die ehemalige Lungenklinik Albrechtshaus, zwischen Güntersberge und Stiege gelegen.

Für an der Historie interessierte Harzer sicher interessant, wenn auch sehr schmerzhaft, was aus all diesen Häusern geworden ist. Da wäre zuweilen mal ein Schwenk auf eine der Harzer Attraktionen zwischendurch ganz wohltuend und kontrastierend gewesen. An zwölf Orten wurde gedreht und mehr als 15 Objekte gezeigt. Für das Frühjahr 2016 ist ein weiterer Teil angekündigt, in dem auch Schierke eine Rolle spielen wird.

Vergessen sind all diese Ruinen schon durch den Film nicht, den meisten dürfte aber kein Wiederaufbau zuteilwerden, ist ihr Zustand doch hoffnungslos. Der Lauf der Zeit und veränderte Rahmenbedingungen haben dazu geführt, dass Orte wie Sülzhayn heute ein ganz anderes Gesicht haben als noch vor 50 Jahren, als dieser Südharzer heilklimatische Kurort mit seiner Knappschaftsheilstätte (seit 1997 geschlossen) ein Kleinod war.

Für die Baumannshöhle bot sich mit dieser Präsentation einmal ein ganz anderes Publikum, und der düstere Rahmen eines unterirdischen Theatersaales reizte die Filmemacher außerdem, gab der Kinoaufführung ihren speziellen Reiz. (mz)

Weitere Aufführungen in Kinos der Region sind bisher nicht bekannt, gezeigt werden soll der Streifen aber in Leipzig, Informationen gibt es im Internet unter:VergessenimHarz.de und visionbakery.com