Rätsel um Nietzsche-Büste
NAUMBURG. - Geradezu mystisch: Hinter der Büste von Friedrich Nietzsche ging Freitagabend die Sonne unter, als die Gäste sich im Naumburger Nietzsche-Dokumentationszentrum (NDZ) versammelten. Dieses Werk aus rotem Marmor hat auf unabsehbare Zeit seinen Standort im NDZ bezogen. Es ist eine Dauerleihgabe der Letter-Stiftung Köln. Letztere hat die Büste vor einigen Jahren von einem Sammler in Leipzig angekauft, so Ralf Eichberg, Leiter des NDZ. Ganz sicher ist man sich nicht, ob der Künstler, der sie geschaffen hat, tatsächlich Max Kruse war. Derzeit wird jedoch davon ausgegangen.
Dafür spricht laut Eichberg so einiges. Unter anderem die Tatsache, dass sowohl bei dieser Plastik als auch am Pendant aus weißem Marmor, das sich im Nietzsche-Haus in Sils Maria (Schweiz) befindet, das linke Ohr des Philosophen ein wenig deformiert ist. Max Kruse, so betonte Eichberg, war der einzige Künstler, der Nietzsche zu dessen Lebzeiten porträtieren durfte.
Besonders an dieser Bildhauerarbeit ist, dass der Kopf eine rotbraune farbige Fassung erhalten hat. Sie vermittelt den Eindruck als sei er aus Holz oder Bronze gefertigt, was jedoch nicht der Fall ist. Im unteren Bereich ist in den blanken Marmor der Name des Philosophen in Jugendstil-Schriftzeichen zu finden. Der Bildhauer-Sohn Max Kruse, heute 90-jährig, wurde von Eichberg zur Arbeit seines Vaters befragt. Dessen Vermutung ist, dass das nun in Naumburg aufgestellte Porträt eine Vorstudie zur eigentlichen Arbeit, die in Sils Maria zu finden ist, sein könnte. Die Naumburger Büste ist dem Kruse-Sohn nicht bekannt. Er konnte berichten, dass die Besuche des Bildhauers bei Nietzsche - damals war er bereits bei seiner Schwester in Weimar - "stärkste Eindrücke" beim Vater hinterlassen hätten.
Dafür, dass es sich um eine Vorstudie handelt, spricht laut Peter André Bloch, Nietzsche-Stiftung Sils Maria, einiges. Unter anderem die Tatsache, dass der Kopf weit detailreicher gearbeitet wurde als der der Büste in der Schweiz, der weitgehend stilisiert dargestellt ist.
Recherchieren konnte Eichberg, dass die Schwester des Philosophen, Elisabeth Förster-Nietzsche, Kruses künstlerische Arbeit nicht gebilligt habe. Einen Ankauf habe sie damals nicht forciert. Der Abend im NDZ hatte nicht nur die Büste zu bieten. Der schweizer Künstler Martin Schwarz, der bereits im Nietzsche-Haus ausgestellt hatte, präsentierte einige seiner Arbeiten, die sich mit dem Philosophen und dessen Werk auseinander setzen: Bücher, aus denen Kristalle wachsen, oder einen kleinen schlanken Baum, gefertigt aus einer Ausgabe von "Zarathustra" und Federn. Das Werk erweckt den Eindruck, als könne ein Luftzug es davonschweben lassen. Bloch stellte ein neues Buch vor: "Das Nietzsche-Haus als Kunst- und Wunderkammer". Es enthält Abbildungen von Arbeiten namhafter Künstler zum Thema Nietzsche und Sils Maria und persönliche Gedanken und Erinnerungen Blochs.