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Im Nachthemd mit dem Taxi nach Hause

Von JANA KAINZ 12.04.2011, 13:38

NAUMBURG. - Eine "Verkettung von Missverständnissen" sei es laut Chefarzt Ralph Laucke gewesen, was sich an einem regnerischen Märztag 2011 in der Notaufnahme des Saale-Unstrut-Klinikums in Naumburg ereignet und eine Leislauerin verärgert hat. Am Morgen dieses Tages erhielt Sabine Hädrich einen Anruf ihrer Mutter, die ihr in hörbar schlechtem Zustand gesagt habe, dass sie gestürzt sei, auf dem Boden sitze, Schmerzen habe und sterbe. Bevor sich die Tochter von Leislau auf den Weg zu

ihrer Mutter nach Bad Kösen machte, telefonierte sie mit der Hausärztin. Diese habe ihr geraten, den Rettungsdienst zu informieren.

Die Sanitäter brachten die 82-Jährige ins Klinikum nach Naumburg. Bevor sich auch Sabine Hädrich auf den Weg machte, habe sie das Bad gereinigt, da sich die Mutter übergeben hatte. Zwei Stunden später traf Sabine Hädrich mit der gepackten Tasche zwar in der Notfallaufnahme ein, aber ihre Mutter nicht an. Sie war nach der Untersuchung mit dem Taxi nach Hause geschickt worden, erfuhr sie. "Empörung kam über mich, denn meine Mutter hatte nur ein Nachthemd, einen Slip und Feinkniestrümpfe an. Sie war barfuß", so die Tochter.

"Wutentbrannt" sei sie zurück zu ihrer Mutter gefahren. "In der Wohnung habe ich das gleiche Elend gesehen wie am Morgen", so die Tochter. Allerdings trug ihre Mutter außer dem Nachthemd blaue Plastiküberzieher, die man ihr im Krankenhaus über die Füße gezogen hatte. Nachdem die Hausärztin etwas später eingetroffen war und ihre Patientin untersucht hatte, wurde abermals der Rettungsdienst verständigt und die Frau ins Klinikum gefahren. "Wegen starker Prellungen und ihrer Demenz", so die Tochter, die sich dieses Mal gleichzeitig mit dem Rettungsdienst in die Spur gemacht hat. Im Krankenhaus fiel die Entscheidung, die Mutter zur stationären Behandlung in der Psychiatrie aufzunehmen.

"Es ist schade, dass wir Unzufriedenheit produziert haben", so Facharzt Mario Müller im Gespräch mit Tageblatt / MZ. Nach der ersten Untersuchung habe aber keine Notwendigkeit bestanden, sie zur stationären Beobachtung aufzunehmen. Für eine solche habe zudem kein Einweisungsschein von der Hausärztin vorgelegen, so der Mediziner.

Vom Zustand der Patientin hätten die Ärzte meist ein anderes Bild als die Angehörigen, wirft Chefarzt Ralph Laucke ein. Die Verwirrung der Frau habe bei ihrer Einlieferung nicht im Vordergrund gestanden. Ebenso hätte sie sich nicht in einem schlechten Allgemeinzustand befunden. "Schade", so Laucke, "dass die Kommunikation auf der Strecke geblieben ist." "Üblicherweise bekommen wir einen Anruf von den Angehörigen. Diesen hat es nicht gegeben", ergänzte Stationsleiterin Anke Heyer. Nach zwei Stunden in der Notaufnahme seien sie davon ausgegangen, dass kein Angehöriger mehr eintreffe. Dann laufe laut Laucke ein Schema ab. "Anhand der Adresse sind wir davon ausgegangen, dass die Frau in einem Betreuten Wohnen untergebracht ist und erwartet wird. Meines Wissens nach hatte sie auch einen Bademantel dabei", so der Chefarzt. Zwar gibt es in der Straße eine solche Einrichtung, in der aber ist die Frau nicht zu Hause. Sie bewohnt allein eine altersgerechte Wohnung.

Dass die mit einem Nachthemd bekleidete Frau mit dem Taxi fahren musste, liege daran, dass es für einen Krankentransport einer Pflegestufe bedurft hätte. Genau diese wurde ihr jüngst nach einer Einschätzung durch Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) nicht genehmigt.

"Es hieß, dass ich für die Pflege meiner Mutter drei Minuten am Tag brauchen würde, um die Pflegestufe aber zu erhalten, seien 45 Minuten Pflegeaufwand erforderlich", so Sabine Hädrich, die noch auf eine Antwort zu ihrem eingereichten Widerspruch wartet.

Auch nach einem Gespräch mit der AOK in Naumburg, das sie noch am Tag, als ihre Mutter ins Krankenhaus gebracht wurde, geführt hatte, habe sich noch nichts getan. "Ich hatte erklärt, dass meine Mutter nicht mehr allein leben kann, Pflege braucht", so die Tochter. "Hier ist der Dialog mit unseren Pflegeberatern mehr als empfehlenswert", sagte AOK-Pressesprecher Michael Schwarze gegenüber Tageblatt / MZ. Ob eine Pflegestufe genehmigt wird, betonte er, hänge allein von der Einschätzung des MDK als "neutralen Richter" ab.