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Zwangsarbeit in Sachsen-Anhalt Zwangsarbeiter für Buna und Leuna: Niederländer stiften Gedenkschwelle

Der Heimat- und Geschichtsverein aus Zöschen erinnert gemeinsam mit Stiftung aus den Niederlanden an die Opfer der Zwangsarbeitslager in Spergau.

Von Luise Mosig 09.08.2024, 23:03
SPD-Politikerin Ute Fischer aus Leuna nahm am Gedenken in Spergau teil und legt gemeinsam mit dem Niederländer Horst Heydenreich Blumen nieder. Heydenreich hat die neue Stolperschwelle gestiftet, die am ehemaligen Eingang zum Arbeitserziehungslager in Zöschen eingeweiht wurde.
SPD-Politikerin Ute Fischer aus Leuna nahm am Gedenken in Spergau teil und legt gemeinsam mit dem Niederländer Horst Heydenreich Blumen nieder. Heydenreich hat die neue Stolperschwelle gestiftet, die am ehemaligen Eingang zum Arbeitserziehungslager in Zöschen eingeweiht wurde. (Foto: Luise Mosig)

Zöschen/MZ. - 80 Jahre ist es her, dass das sogenannte Arbeitserziehungslager der Nationalsozialisten in Spergau bei einem Luftangriff der Alliierten zerstört wurde – woraufhin die Häftlinge im Herbst 1944 in das neu errichtete Lager Zöschen verlegt wurden. Am Mittwoch hat der Heimat- und Geschichtsverein Zöschen eine neu verlegte Stolperschwelle am ehemaligen Eingang zum Lager in Zöschen eingeweiht. Sie soll zusätzlich zu den bereits vorhandenen Gedenkstätten in Spergau und Zöschen an die Opfer der Zwangsarbeitslager erinnern.

Mit dabei waren nach Angaben von Edda Schaaf, Vorsitzende des Vereins, etwa 15 Schüler und drei Lehrer der Gemeinschaftsschule Zöschen. Insgesamt nahmen laut Schaaf circa 40 Personen an der Zeremonie teil, darunter der Leunaer Bürgermeister Michael Bedla, der Ortsbürgermeister von Zöschen, Christian Groß, und Landrat Hartmut Handschak.

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Die Stolperschwelle wurde von Horst Heydenreich aus Wijk aan Zee in den Niederlanden gestiftet, der ebenfalls vor Ort war. Heydenreich, über 80 Jahre alt und Vorsitzender einer niederländischen Gedenkstiftung für in der NS-Zeit Deportierte, bezeichnet den Saalekreis als seine „zweite Heimat“.

Über die Jahre sei nicht nur ein reger Austausch entstanden, sondern auch eine Freundschaft mit Edda Schaaf. Seit 2016 ist Heydenreich Mitglied im Heimatverein. Zur Einweihung der Stolperschwelle kippten die Vereinsmitglieder Sand auf die Schwelle, der daraufhin von Heydenreich mit einem orangefarbenen Besen weggekehrt wurde – angelehnt an das Putzen von Stolpersteinen. Die Schüler legten Rosen um die Schwelle.

Viele der in Spergau und Zöschen internierten Zwangsarbeiter waren Niederländer. In den 1990er Jahren reisten erstmals ehemalige Häftlinge und Angehörige nach Zöschen. „Damals kamen mit den Jahren immer mehr Niederländer, weil sie sich anschauen wollten, wo ihre Vorfahren damals waren“, erzählt Schaaf. In dieser Zeit entwickelte sich eine Freundschaft zwischen einem der ehemaligen Inhaftierten und Schaafs Familie. 1996 fuhr sie erstmals in die Niederlande, war seitdem viele Male dort. Ihre ersten Kontakte knüpfte sie mit Engagierten in Amersfoort, von wo aus die Nazis 1944 hunderte Niederländer unter anderem nach Zöschen deportierten.

Kurz vor dem Gedenken in Zöschen traf sich ein kleiner Kreis an Vereinsmitgliedern am Denkmal in Spergau, um ebenfalls Blumen niederzulegen. Pfarrerin Antje Böhme mahnte, dass die Menschen mehr für die Geschichte sensibilisiert werden müssten – unter anderem durch Gedenkaktionen. „Nie wieder! Was für ein Widersinn, die Zeit, in der wir gerade leben. Antisemitismus breitet sich aus, Menschenverachtung wird laut, ohne mit der Wimper zu zucken. Jetzt erst recht!“

In den Jahren 1942 und 1943 waren im Spergauer Lager durchschnittlich etwa 11.000 Zwangsarbeiter inhaftiert, die in den Leuna-Werken arbeiten mussten, später auch in den Buna-Werken in Schkopau und in den Siebel-Flugzeugwerken in Halle. Etwa 500 Gefangene überlebten die Tortur nicht.