Sklavenarbeit am Flugplatz Sklavenarbeit am Flugplatz: Zwangsarbeiter in einem Stall bei Schafstädt untergebracht

Schafstädt/Obhausen - Da, wo die Landesstraße 172 auf dem Weg von Altweidenbach nach Schafstädt einen leichten Knick macht, befindet sich rechter Hand ein Wäldchen. Mit seinen Bäumen und Büschen in vollem Grün kommt es unscheinbar daher. Doch unter den Bäumen verstecken sich Mauerreste.
Es sind die Überreste eines ehemaligen Schafstalls, in dem ab Oktober 1944 für ein paar Monate Holländer, Polen, Italiener und Männer anderer Nationen untergebracht waren. Sie mussten Sklavenarbeit leisten für einen nahe gelegenen Flugplatz der deutschen Luftwaffe. Dieser befand sich auf den dort angrenzenden Feldern.
Arbeitserziehungslagers (AEL) Zöschen: Zeitzeuge berichtet
Ab 1935 war ein Feldflugplatz auf dem heutigen Gebiet der Gemeinde Weida-Land eingerichtet. Mit Beginn des Krieges waren dort Gruppen des Jagdgeschwaders stationiert, die feindliche Flugzeuge abwehren sollten, um Werke wie Leuna, Buna und Lützkendorf zu beschützen. Um den Flugplatz instand zu halten, wurden ab 1944 unter anderem Häftlinge des Arbeitserziehungslagers (AEL) Zöschen herangezogen. Einer von ihnen war der Holländer Jaap Epskamp (1922-2016).
Bei der am 16. April 1944 durchgeführten Razzia in Beverwijk gefangen genommen, wurde er wie viele andere seiner Landsleute über Schkopau und Nietleben zunächst nach Zöschen gebracht. Wie es in einem Erlebnisbericht, verfasst von Jan Skrzypkowski und Susanne Göhricke im Jahrbuch 2013 des Heimat- und Geschichtsvereins Zöschen, heißt, sei Epskamp erschrocken gewesen, als er das Zöschener AEL erstmals betrat. „Die Gefangenen waren in Lumpen gekleidet, von Kopf bis Fuß dreckig und schmutzig, unrasiert, sehr dünn mit hohlen Augen.“ Sogar noch schrecklichere Bilder erwarteten ihn im Lager am Flugplatz in Schafstädt, wohin er kurze Zeit später, im Oktober 1944, per Zug gebracht wurde.
Häftlinge mussten sich als Unterkunft einen verlassenen Schafstall mit Küche, Öfen und Latrine herrichten
Er und die anderen Häftlinge, circa 100 Holländer, mussten sich als Unterkunft einen verlassenen Schafstall mit Küche, Öfen und Latrine herrichten. Der überwiegende Teil der Häftlinge musste auf dem Flugplatz arbeiten. Wenig zu essen und schlechte hygienische Bedingungen haben schnell zu einer hohen Sterblichkeitsrate unter den Häftlingen geführt, berichtet der Holländer Epskamp in dem Erlebnisbericht.
Nach circa drei Wochen seien so viele krank geworden, dass weitere Häftlinge - neben Holländern nun auch Polen, Italiener und Russen - zur Verstärkung für die Arbeit am Flugplatz im Schafstall untergebracht wurden. Die ersten Todesfälle waren im Lager zu verzeichnen. Mitte November sei dann ein Arzt ins Lager gekommen.
Zeitzeuge: „Viele hatten offene Wunden an den Händen und Beinen“
Epskamp war abkommandiert, ihm zu helfen, sah direkt den körperlichen Zustand der Männer und beschreibt ihn im Bericht so: „Viele hatten offene Wunden an den Händen und Beinen. Dazu kamen durch Hungerödeme geschwollene Beine und Blut im Stuhl. Zum Desinfizieren und Verbinden der Wunden gab es nur Kaliumpermanganat und Toilettenpapier.“ Der Arzt habe die Verhältnisse scharf kritisiert, woraufhin der Kommandant des AEL Zöschen, Wilhelm Winter, am Flugplatz aufgeschlagen sei und die Entlassung der verbliebenen Holländer aus dem Lager bei Schafstädt angeordnet habe.
Am 18. August 1944 mussten rund 600 Zwangsarbeiter nach der Zerstörung ihres Lagers in Spergau nach Zöschen laufen, um dort ein neues Lager zu errichten, von dem aus sie bis zum Kriegsende zur Zwangsarbeit ins Leuna-Werk gebracht wurden. In der Krankenbaracke wurden auch Experimente an Häftlingen mit nicht zugelassenen Medikamenten durchgeführt. Rund 500 Zwangsarbeiter kamen in Zöschen ums Leben.
Das Gedenken an die Opfer wird jedes Jahr im Mai in Zöschen organisiert. Zu den Gästen zählen neben Einwohnern des Ortes sowie Personen des öffentlichen Lebens auch immer viele Holländer und Polen. Es sind Nachfahren oder Verwandte von Opfern. So wie Cor Bart, der in diesem Jahr mit seiner Frau Nelli zum wiederholten Male an der Gedenkveranstaltung teilnahm. „Mein Onkel war dabei, ist verstorben“, sagt er, der mit weiteren Mitstreitern aus Holland seit 2004 mit dem Heimat- und Geschichtsverein Zöschen und weiteren Vereinen der Region eng zusammenarbeitet. Freundschaften sind mittlerweile entstanden, wie Cor Bart erklärt. Eine Delegation aus dem Saalekreis reist auch jedes Jahr zu Gedenkveranstaltungen in Beverwijk und Amersfoort in Holland.
In das Krankenrevier des Lagers Ammendorf wurden sie Ende November gebracht. Wie die holländische Stiftung „16. April 1944“ - sie beschäftigt sich mit den Schicksalen der Zwangsarbeiter, die bei der Razzia Beverwijk gefangen genommen und nach Spergau beziehungsweise Zöschen deportiert wurden -, recherchiert hat, sind im Lager bei Schafstädt 26 Holländer verstorben und später in Ammendorf noch 17, sagt Mitglied Cor Bart.
Arbeitserziehungslagers (AEL) Zöschen: Einsatz für das Gedenken
Jaap Epskamp überlebte, wurde ins AEL Zöschen zurück überführt und später dem Arbeitsamt Merseburg zugewiesen, das ihm Arbeitsstellen zuteilte. Nach der Befreiung durch die vorrückenden amerikanischen Truppen konnte Epskamp am 18. Juli 1945 in seine Heimat zurückkehren. 2016 verstarb er.
Die grausame Zeit in den Arbeitslagern hier konnte er wie viele andere Menschen, die während der NS-Zeit verschleppt wurden, nie vergessen, sagt Edda Schaaf, die Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Zöschen, die Epskamp persönlich kennengelernt hat. Er habe großes Interesse gehabt, diesen Zeitabschnitt aufzuarbeiten. Neben regelmäßigen Teilnahmen an der großen Gedenkveranstaltung an die Toten des AEL Spergau-Zöschen, die der Zöschener Verein jedes Jahr im Mai durchführt, hat er sich für die Entstehung der kleinen Gedenkstätte am ehemaligen Flugplatz (nach Kriegsende beseitigt) und dem Schafstall im Wäldchen an der L172 eingesetzt.
Wenige verbliebene Reste der Mauern des Schafstalls
Im Mai 2008 konnte sie eingeweiht werden. Überdies brachte er zum ersten Jugendworkcamp, dass der Verein im Mai 2009 durchführte, seine zahlreichen Enkelkinder mit, und alle Teilnehmer packten gemeinsam an, um die Gedenkstätte bei Schafstädt zu erweitern. An den wenigen noch verbliebenen Resten der Mauern des Schafstalls wurde damals eine zusätzliche Gedenktafel angebracht, die den Grundriss des Lagers zeigt und beschreibt.
In unserer Region hat Jaap Epskamp Spuren hinterlassen, indem er unter anderem Gedenkorte schuf und Menschen zusammenführte. Im Rahmen der diesjährigen Gedenkveranstaltung zu Ehren der Opfer des AEL Zöschen fuhren Teilnehmer, Holländer und Deutsche, wieder an die Gedenkstätte zwischen Schafstädt und Altweidenbach und legten dort Blumen nieder. (mz)
