Stadtführer schlagen Alarm Stadtführer schlagen Alarm: "Das Image der Stadt ist bereits schwer geschädigt"

Merseburg - Bei den Merseburger Stadtführern brodelt es. Die, die bei Gästen und Touristen mit ihren Führungen die meiste Werbung für die geschichtsträchtige Stadt machen, fühlen sich abgehängt und fragen, wo das Hickhack um die Tourist-Information noch hinführen soll.
„Nach der Wende haben wir uns abgestrampelt, um Merseburg in der Welt - oder zumindest in Deutschland - bekannt zu machen “, sagt Stadtführer Jürgen Trinkler. „Wir waren auf Sachsen-Anhalt-Tagen oder auf den Hansetagen der Neuzeit, sind in Kostümen herumgelaufen, haben Flyer verteilt und für die Zaubersprüche oder die Ausstellungen im Dom geworben.“ Das werde jetzt alles zunichte gemacht.
„Das Image der Stadt ist bereits schwer geschädigt“, sagt Thomas Schültke, der bei seinen Führungen in die Kluft von Mönch Thomasius schlüpft. Mehrere Stadtführer berichten von Kritik der Gäste, die zum Beispiel Fragen zu den Führungen haben, aber telefonisch niemanden erreichen.
Kritik an geschlossener Stadtinformation
„Seit wievielen Monaten geht das jetzt schon mit dem Gezerre um die Tourist-Info?“ Stadtführerin Lieselotte Witte ist empört. „Und kein Politiker hat sich um uns als Stadtführer gekümmert.“ Elf Stadtführer bieten aktuell rund 20 verschiedene Führungen an. Ansprechpartner war für sie immer die Tourist-Information, wo auch die meisten Führungen starten.
Hier bekamen die Stadtführer die Quittungen für Gruppen, die die Führungen in bar bezahlen, oder auch die Schlüssel für die Stadt- oder die Neumarktkirche, oder haben abgerechnet. Doch nun ist die Stadtinformation bis zum 4. Februar geschlossen. „Damit entfallen auch zwei Höhepunkte der Stadtführungen, weil wir die Schlüssel nicht bekommen“, so Schültke.
Im Augenblick wirkt sich die aktuelle Situation noch nicht schwerwiegend auf die Zahl der Stadtführungen aus (siehe Grafik „Erträge“), weil Führungen für Reisegruppen oftmals einige Zeit im Voraus gebucht werden. Aber dass es in der Stadt kaum noch Anstrengungen gibt, touristische Pakete für interessierte Reisende zu schnüren, spüre man schon - es kämen ja weniger Leute in die Stadt.
Stadtrat entscheidet, wie es mit der Tourist-Information und deren Personalausstattung weitergehen soll
„Und die Touristen waren immer begeistert von den Angeboten, die ihnen das Kulturamt zusammengestellt hatte“, sagt Stadtführerin Angela Biemann, die bei Führungen als Stadthauptmann oder als Marktfrau unterwegs ist. Die Erträge durch Pauschalprogramme sind allerdiings um rund 88 Prozent zurückgegangen.
In den nächsten Wochen will der Stadtrat entscheiden, wie es mit der Tourist-Information und deren Personalausstattung weitergehen soll. Im Februar 2018 hatten die Räte beschlossen, dass die zwei übriggeblieben Stellen wegfallen können.
Nun könnte es sein, dass diese Entscheidung zurückgenommen wird. Darauf hoffen auch die Stadtführer. „Wir richten einen Appell an den Stadtrat. Man muss sich überlegen, ob man der Stadt wirklich noch mehr schaden will“, sagt Lieselotte Witte und hat da den Spruch der heiligen Teresa von Avila parat: „Oh Herr, lehre mich die wunderbare Weisheit, dass ich mich irren kann.“ (mz)