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Saalekreis Saalekreis: Turmknopf gibt 300 Jahre altes Geheimnis preis

Von HANS-ERDMANN GRINGER 07.09.2010, 18:01

FRANKLEBEN/MZ. - Auf diesen Augenblick haben die Franklebener lange gewartet. Die beiden Dachdecker Heinz Bierschenk und Klaus Oppermann, die eben noch in luftiger Höhe auf dem Kirchturm der St. Martini-Kirche waren, haben den Knopf von der Kirchturmspitze herunter geholt und geöffnet. Nun richten sich die Augen der Anwesenden voller Neugier auf den Inhalt, der auf einem Tischchen vor der Kirche ausgebreitet liegt.

Drei 30 Zentimeter lange zugeschweißte Hülsen, nicht aus Metall sondern aus PVC. "Wahrscheinlich Material aus Buna", meint einer der Umstehenden. Nachdem die Hülsen aufgesägt sind, kommen zahlreiche Dinge zum Vorschein: Papierbögen, handbeschrieben, Zettel, Münzen, Geldscheine.

Das Eindrucksvollste ist wohl eine vierseitige Pergament-Urkunde, die frisch und fast wie gerade erst aufgesetzt aussieht. Sie stammt vom 17. Juni 1697. Der Name Herzog Moritz Wilhelm taucht auf. "Den Inhalt des Dokuments müssen wohl Experten in aller Ruhe in Augenschein nehmen", meint Birgit Bromberger, Vorsitzende des Gemeindekirchenrates. Einige andere Papiere stammen von der wohl letzten Reparatur zu DDR-Zeiten, wie man lesen kann. "Vom 8. bis 18. Oktober 1974 wurde nach jahrelangen, nervenaufreibenden Bemühungen der Kirchturm der St. Martini-Kirche zu Frankleben mit Schiefer eingedeckt von den Dachdeckern Ulrich Weiß aus Grumbach und Gerd Rodel aus Lehesten von der PGH Dachdecker "Glückauf" aus Lehesten (Thüringen).

Die Kosten hätten 10 000 Mark betragen, heißt es. Ein anderer Schnipsel vermerkt: "Der Kirchturmknopf wurde am 14. Oktober 1974 vom Lehrkollektiv der PGH Geiselquelle Mücheln angefertigt." Noch enthalten sind DDR-Alu-Chips und abgestempelte Briefmarken, so mit dem Konterfei von Walter Ulbricht zu 15 Pfennig und zum 25. Jahrestag der DDR. Auch dabei: Eine Plastanhänger zum Kirchentag 1951 mit der Inschrift "Wir sind doch alle Brüder", ein Bündel mit Notgeld aus den 1920er Jahren, darunter Scheine über 50 000, 500 000 Reichsmark. Sogar ein 100-Millionen-Schein ist darunter.

"Wir werden das jetzt erst einmal alles gründlich inventarisieren und dokumentieren", sagt Frau Bromberger. Dann wolle man die Schätze in einer Ausstellung zeigen, bevor sie wieder an ihren angestammten Platz gebracht werden. Diesmal in vier Hülsen, ergänzt mit Dokumenten aus der Gegenwart, Münzen, einem Verzeichnis der Mitglieder des Gemeindekirchenrates und Details über die derzeitige Turm-Instandsetzung. Auch eine aktuelle Ausgabe der MZ soll dann mit in die neuen Behältnisse kommen, die diesmal allerdings aus Metall sein werden.

Bis zum Jahresende soll dann das Dach des Turms, das sich in katastrophalem Zustand befand, wie eine Begehung vor wenigen Tagen ergab, wieder geschlossen sein, sagt Projektingenieur Daniel Wyrwich aus Halle: mit Dachkonstruktion, Mauerkrone und Dacheindeckung, denn "der Auflagebereich des Holzes war fast komplett zerstört". Fördermittel halfen, den miserablen Zustand zu beenden.

Mit einem Festgottesdienst am kommenden Sonntag wollen die Franklebener aber schon mal feiern. Sie wollen an die 275. Wiederkehr der Kirchweihe erinnern, einem Vortrag von Harald von Bose lauschen und am Nachmittag bei Kaffee und Kuchen mit einander plauschen. Zu erzählen gibt es jetzt jedenfalls einiges.