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Coronademos im Saalekreis Protest und Gegenprotest am Merseburger Klinikum

Eine Hausärztin ruft zur Demo gegen die Impfpflicht auf. 650 Menschen strömen in die Nähe des Krankenhauses. Gegendemonstranten bilden eine Kette vor desseb Eingang.

Von Robert Briest 21.01.2022, 18:12
Die Teilnehmer des Gegenprotests bildeten eine Kette vor dem Haupteingang des Basedow-Klinikums.
Die Teilnehmer des Gegenprotests bildeten eine Kette vor dem Haupteingang des Basedow-Klinikums. Fotos: Robert Briest

Merseburg/MZ - „Wir wollen zeigen, dass die bisher schweigende Mehrheit, die sich impfen lässt und die Pandemie ernst nimmt, ein Gesicht hat“, sagte Jens Voigt. Er gehört dem Bündnis für Vielfalt und Zivilcourage Merseburg an, welches am Freitagnachmittag zu einer Demonstration vor dem Basedow-Klinikum aufgerufen hatte. Etwa 60 Menschen, darunter Vertreter von SPD, Linken, Grünen und FDP, Ärzte und Schüler der Pflegeschule, waren dem gefolgt und bildeten eine lange Kette mit Plakaten vor dem Hauptgebäude des Basedow. Das beabsichtigte Signal war klar: Sie stehen dort zum Schutz des Krankenhauses.

Der Grund für diese Aktion befand sich zur selben Zeit etwa 200 Meter weiter auf einem Parkplatz. Dort hatten sich nach Zählung der Ordnungskräfte gut 650 Gegner der staatlichen Coronamaßnahmen, vor allem einer Impfpflicht, versammelt. Sie waren dem Aufruf von Ines Münch gefolgt. Die Medizinerin betreibt eine Hausarztpraxis in Merseburg und gehört nach eigenen Angaben weder einer Partei noch einer anderen Organisation an. Eine Impfpflicht hält sie keinesfalls für verhältnismäßig. Ihrer Meinung nach gebe es andere Wege, um Risikogruppen zu schützen, „ohne die Gesellschaft lahmzulegen.“

Demoroute kurzfristig geändert

Vor allem den mRNA-Impfstoff, dazu zählen Vakzine von Biontech und Moderna, stellte die Ärztin als gefährlich dar, warnte vor Langzeitfolgen. „Ich fordere eine Aufhebung der berufsbezogenen Impfpflicht“, erklärte sie bei der Auftaktkundgebung. Danach sollte die Demo eigentlich an der Klia entlang vor dem Basedow-Klinikum vorbeiführen. Auf Intervention der Ordnungskräfte änderten die Impfgegner jedoch kurzfristig ihre Route und zogen den Weinberg hoch in Richtung Innenstadt.

Rund 650 Menschen beteiligten sich an der Demo gegen die Impfpflicht.
Rund 650 Menschen beteiligten sich an der Demo gegen die Impfpflicht.
Briest

Eine direkte Konfrontation mit den Gegendemonstranten blieb so aus. Unter diesen befand sich Lutz Kuhne. Der heutige FDP-Chef im Merseburger Stadtrat war vor seinem Ruhestand Ärztlicher Direktor des Klinikums. Dass er dem Demoaufruf folgte, sei für ihn eine Selbstverständlichkeit gewesen: „Ich habe über 40 Jahre hier gearbeitet. Ich weiß mit welcher Hingabe Ärzte und Pfleger hier ihre Arbeit verrichten.“ Es gehe ihm darum, zu zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung für die Impfung ist. „Es ist unsere Aufgabe als Mediziner, die Leute von der Impfung zu überzeugen.“

Organisatorin Ines Münch.
Organisatorin Ines Münch.
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Ähnlich sah das auch Peter Netzold. Er ist seit kurzem im Ruhestand, war zuvor aber nach eigenen Worten 20 Jahre Pfleger im Basedow und viele Jahre auch Betriebsrat. Als solcher habe er versucht, die Kollegen zur Impfung zu motivieren. Die sei sinnvoll, um die Pandemie zu beenden, befand Netzold. Deren Folgen halten das Merseburger Klinikum seit bald zwei Jahren in Atem: „Die Pfleger sind überlastet. Im Dezember waren vier Stationen mit Covid-Patienten belegt“, berichtet der frühere Betriebsrat.

Die Belastung der Mitarbeiter war auch für Jens Voigt ein Hauptgrund für den Aufruf zum Gegenprotest. Dass die Demo von Medizinerin Münch ursprünglich direkt am Basedow vorbeiführen sollte, bezeichnet er als „perfide“: „Im Klinikum kämpft das Personal seit zwei Jahren um das Leben jedes einzelnen.“