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MZ-Interview mit Merseburgs OB Jens Bühligen MZ-Interview mit Merseburgs OB Jens Bühligen: "Es gibt keinen Streit"

13.02.2018, 08:34
In lockerer Atmosphäre plauderte Merseburgs Oberbürgermeister Jens Bühligen (CDU) bei einem Pressegespräch über die Finanzlage der Stadt.
In lockerer Atmosphäre plauderte Merseburgs Oberbürgermeister Jens Bühligen (CDU) bei einem Pressegespräch über die Finanzlage der Stadt. Peter Wölk

Merseburg - Aufgrund der finanziell schwierigen Situation liegt kein einfaches Jahr hinter der Stadt Merseburg. Neue Herausforderungen ergeben sich aus der aktuellen Spardebatte. Wie Merseburgs Oberbürgermeister Jens Bühligen (CDU) diese meistern will, beantwortete er in einer Gesprächsrunde mit Klaus Treuter vom Offenen Kanal Merseburg-Querfurt und MZ-Redakteur Michael Bertram.

Das Jahr 2018 hat turbulent begonnen - schon mit Blick auf das Wetter. Wie schlimm hat Orkan „Friederike“ die Stadt Merseburg getroffen?
Jens Bühligen: Es waren schon einige Schäden. Vor allem die privaten Hauseigentümer hatten Schäden zu verzeichnen. Wir haben noch keine klare Erhebung, aber ich denke, dass jeder Dritte oder Vierte betroffen war, so dass wir auch zurecht entschieden haben, den für den Sturmabend angesetzten Neujahrsempfang abzusagen. Im Wesentlichen sind die Schäden in der Stadt überschaubar. Ich gehe aber davon aus, dass das meiste von den Versicherungen übernommen wird.

Auch finanziell gesehen, bleibt es aber stürmisch.
Bühligen: Der Jahresabschluss 2017 ist noch nicht da. Wir wissen, dass wir nach wie vor über einen nicht ausgeglichenen Haushalt für 2018/19 reden. Unsere aktuellen Hochrechnungen gehen aber zumindest für 2017 von einem Ausgleich aus. Das ist eine Meldung, auf der wir aufbauen können.

Ein Ausgleich zu Lasten der Bürger, die bei Steuern tiefer in die Tasche greifen müssen.
Bühligen: Wir haben uns bei den Investitionen zurückgehalten. Wir mussten aber auch leider unpopuläre Entscheidungen treffen und dazu gehört auch die Erhöhung von Steuern. Das sind aber Dinge, die hätten wir schon vor fünf oder zehn Jahren machen müssen.

Warum hat man dies vernachlässigt?
Bühligen: Wir haben in dieser Zeit regelmäßig über Erhöhungen gesprochen, aber der Stadtrat hat sie zugunsten der Bürger hinausgeschoben. Bis 2006 hatten wir auch eine Rücklage in der Stadt, über die wir entscheiden mussten: Setzen wir sie für Investitionen ein? Und wir haben, wie ich finde, mit dem Rat die richtige Entscheidung getroffen. Wir haben investiert und in den letzten Jahren beispielsweise alle Kindergärten und Grundschulen saniert, wir haben wesentliche Straßen und Plätze für die nächsten Jahrzehnte neu hergerichtet.

Spätestens mit dem Aufbrauchen der Rücklage hätte man doch aber wieder mehr Einnahmen generieren müssen.
Bühligen: Nochmal, wir haben immer über Steuererhöhungen gesprochen, sie haben aber im Rat keine Mehrheiten gefunden. Wir haben stattdessen eher geguckt, wo man noch sparen kann. Und noch immer sind wir mit der Konsolidierung beschäftigt. Da die Personalkosten in einer Kommune immer zu den größten Ausgaben zählen, haben wir in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich Stellen abgebaut. Von 320 Stellen sind wir auf 280 runtergegangen. Wir werden in den kommenden fünf Jahren weitere 25 Stellen weniger haben. Das hat aber natürlich auch gewisse Einschränkungen in der öffentlichen Dienstleistung zur Folge.

Drohende Einschnitte werden auch deutlich mit Blick auf die seit Wochen diskutierte Liste mit Einsparvorschlägen. Allein die angeregte Übergabe von Sportstätten an die Vereine sorgte für hitzige Debatten. Wie viel wollen Sie den Bürgern zumuten?
Bühligen: Dass wir eine hohe Lebensqualität in Merseburg haben wollen, darüber sind wir uns alle einig. Wir sind in der Situation, dass unsere Kommune wahrscheinlich nicht in jedem Jahr einen ausgeglichenen Haushalt und Jahresabschluss haben wird. Das heißt, wir müssen zum Beispiel auch mit den Sportvereinen darüber sprechen, inwieweit sie sich finanziell engagieren können. Was geht? Und was geht nicht? Wenn eine Beteiligung nicht funktioniert, muss man das als Stadt zur Kenntnis nehmen. In der Abwägung rechne ich aber ohnehin damit - und dafür plädiere ich auch - dass wir alle Einrichtungen so behalten, wie wir sie jetzt haben. Dann müssen wir aber auch über Neuinvestitionen sprechen.

Je nach Höhe der Investitionen müsste sich die Stadt aber weiter verschulden.
Bühligen: Das ist ein wichtiges Stichwort. Wir haben in Merseburg in den letzten Jahren mehrere Millionen Euro Schulden getilgt. Wir hatten vor zehn Jahren rund 34 Millionen Euro Schulden, jetzt stehen wir bei 23 Millionen Euro. Und wir werden den Schuldenstand in den nächsten fünf Jahren auf 13 Millionen Euro absenken. Noch nie war der Schuldenstand der Stadt so gering. Und das ist auch Teil der Konsolidierung.

Die Kasse aufbessern könnten auch niedrigere Umlagen. Zuletzt war über eine Absenkung der Kreisumlage diskutiert worden. Wie wahrscheinlich ist ein solcher Beschluss?
Bühligen: Die Kreisumlage ist mit zuletzt 13 Millionen Euro eine der größten Ausgaben, die wir haben. Eine Absenkung würde eindeutig zu einer Entspannung in den Kommunen führen. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass der Kreis Aufgaben auch für Bürger Merseburgs erfüllt. Ich nenne in diesem Zusammenhang nur die beiden Gymnasien. Nur zahlen wir durch die Erhöhung der Kreisumlage jetzt im Jahr 300.000 Euro mehr an den Kreis. Da muss man schon fragen, ob das berechtigt ist. Wir wollen das in Gesprächen klären.

In der laufenden Spardebatte bekommt man den Eindruck, Ihr Finanzbürgermeister Bellay Gatzlaff hat die Wortführerschaft übernommen. Haben Sie Angst, sich im 1:1 mit Betroffenen die Finger zu verbrennen?
Bühligen: Überhaupt nicht. Er macht seinen Job. Und den macht er gut. Dafür haben wir ihn geholt. Er hat eine hohe Kommunikationskompetenz und die bringt er zum Einsatz. Er hat nicht die Erwartung, dass alle Momente, die er vorträgt, auch zu hundert Prozent erfüllt werden. Und deshalb geht er mit ambitionierten Ideen ins Rennen. Es wäre schlecht von mir, wenn ich anfange, ihn zu reglementieren - auch wenn nicht alles von mir mitgetragen wird.

Inwieweit hilft es in einer so hart geführten Debatte, wie Herr Gatzlaff eine gewisse emotionale Distanz zu Einrichtungen wie einer Schwimmhalle oder einem Stadion zu haben?
Bühligen: Das kann nur helfen, weil er dadurch objektiver an die Dinge herangeht. Die daraus resultierenden Diskussionen sind natürlich zu führen. Stadtrat, Bürgermeister und Verwaltung spielen dabei aber eng zusammen.

In den jüngsten Debatten konnte man den Eindruck gewinnen, dass es angesichts mancher Sparvorschläge auch Verstimmungen in einzelnen Ämtern gibt. Trügt der Schein?
Bühligen: Es gibt keinen Dissens, der die Arbeit blockiert oder behindert. Der Job von Herrn Gatzlaff ist es, den Haushalt für alle Ressorts aufzustellen - und den Job macht er. Das akzeptieren alle und das müssen auch alle akzeptieren. Es gibt keinen offenen Streit. (mz)