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Handelssituation in Merseburg Handelssituation in Merseburg

Von Petra Wozny 18.01.2002, 14:10

Merseburg/MZ. - "Der Ruhm, wie alle Schwindelware, hält selten über tausend Jahre. Zumeist vergeht schon etwas eh''r die Haltbarkeit und die Kulör." Diesen Spruch des weisen wie launigen Spötters Wilhelm Busch sucht man vergebens an den Wänden der Merseburger Passage. Und doch hätte der große Literat den Nagel für die Passage, die seinen Namen trägt, nicht besser treffen können. Eigentlich ist es ein Schmuckstück, das kleine Handelszentrum. 1994 wurde sie eröffnet. Kleine Läden in einem Innenhof, eine Gaststätte, Arztpraxen, Wohnungen - eigentlich ein perfektes Ensemble, was zudem durch eine unverkennbare Außengestaltung verschönt wurde. "Das war keine Nullachtfünfzehn-Sanierung", betont Jens Broda, der mit seinem Vater, Hans-Gerit, rund 3,4 Millionen Euro dafür investierte.

Jede Mieteinheit sei nach Kundenwünschen eingerichtet worden - ein Riesenaufwand, den sich Brodas gönnten und Gebundenheit der künftigen Mieter erwarteten. Die Mieten für die Ladengeschäfte seien , so Brodas Ansicht, mit damals 30 Mark je Quadratmeter bezahlbar gewesen. Die Verträge seien auf zehn Jahre festgeschrieben worden. Man habe im Laufe der Jahre auf vereinbarte Mieterhöhungen verzichtet. Die Geschäfte außerhalb der Passage auf der Gotthardstraße ihr Domizil haben und zum Ensemble gehören - Optiker als auch Geschenkestübchen - laufen gut. Ab 1998 bröckelt es im schönen Gebälk. Dem Inhaber eines Schuhladens wird fristlos gekündigt - Mietrückstände sagt der Investor. Bei einem Blumenladen macht Jens Broda vom Vermieterpfandrecht Gebrauch. Auch aus einem Kurzwarenladen seien keine Mieten gekommen. Kündigung. "Wir haben immer Kompromisse gesucht. Aber mir kam es manchmal so vor, als sei es aus der Mode gekommen, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen", schildert Junior Broda erzürnt.

Der Blumenhändlerin habe man Ware für die eigene Immobilienfirma abgekauft und ihr die Rechnung von den Mietschulden abgezogen. Mit anderen Händlern habe man Umzüge innerhalb der Passage organisiert - zum Beispiel mit einer Weinhandlung. Nun ist auch sie nicht mehr da. Stumpf sind auch die Scheiben der "Crazy-Schneiderei" und die Szene-Läden "Miss-Sixti" und "Londsdale". Die Kette der leeren Geschäfte hat Überlänge, geblieben sind an Händlern lediglich ein Reisebüro und eine Gaststätte. Noch am Ort sind glücklicherweise das "Storchennest" und die Arztpraxen. Für Jens Broda sieht die Welt nicht rosig aus. Zu wahr sind Wilhelm Buschs Worte.

Die Passage wird seit einem Jahr zwangsverwaltet. Durch die imensen Mietrückstände kam Broda selbst in hohe Zinsrückstände und bei den Banken in Misskredit. Woran lag dieses Dilemma? "Die Mieten lagen noch unter denen der angrenzenden Klia-Passage", schildert Broda. Schlechte Zahlungsmoral und mangelndes Engagement der Händler macht der Investor vor allem für die Krise der Passage verantwortlich. Er zieht aber auch in Betracht, dass der Kunde sich auch die Mühe geben müsse, nach rechts und links der Hauptstraße zu sehen. Als ein Unding wertet er das Verbot durch die Stadtverwaltung, dass in der Passage nicht musiziert werden dürfe. Passagen-Festen sei damit noch vor dem ersten Ton der Garaus gemacht. Aus heutiger Sicht würde Jens Broda in der Busch-Passage einiges anders anpacken. "Ich wäre nicht mehr so geduldig und würde den Mieten ewig hinterher laufen. Und ich würde banktechnisch einiges anders regeln." Erfahrung ist die Summe der Pleiten - eine Weisheit nicht von Wilhelm Busch, sondern von Jens Broda.wird fortgesetzt