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Bettler am Weg gegen das Vergessen

Von Gerhard Grulke 10.05.2005, 16:28

Merseburg/MZ. - Es waren Schüler und Studenten, die in die Rollen der Hungernden, Bettler, Kriegsheimkehrer, Flüchtlinge und KZ-Häftlinge geschlüpft waren. Sie wollten in dieser Form an die schlimme Zeit nach dem Kriege vor 60 Jahren erinnern. Einige, die aus dem Dom kamen, gaben auch Antwort: "Meine Eltern waren selbst Flüchtlinge", so Lothar Peruth aus Merseburg zu einer Trümmerfrau. Im Foyer des Ständehauses schließlich empfing eine Gruppe von Schülern des Herder-Gymnasiums in Häftlingskleidung die Veranstaltungsbesucher mit dem Lied von den Moorsoldaten. "Verhangenheit erinnern - Zukunft gestalten" - unter dieser Zeile stand das Projekt von Schülern und Studenten, die auf der Veranstaltung des Landkreises und des Evangelischen Kirchenkreises im Ständehaus zeigten, was sie auf ihrer Spurensuche zusammengetragen hatten. Zu einem Originalfilm aus Nachkriegstagen ließ Landrat Tilo Heuer (SPD) Revue passieren, was sich in den Breiten um die beiden großen Chemiewerke auch Schlimmes ereignet hatte. "Das muss im Gedächtnis bleiben", sagte er. Superintendentin Annette-Christine Lenk dankte den Schulen, dass sie mit Herz und Verstand Material für sechs Projekte gesammelt und verarbeitet hatten.

"Sechzig Jahre Frieden gebieten solch eine Veranstaltung zum Gedenken", so ihre Worte. Was die Gäste dann zu lesen, anzuschauen und zu hören bekamen, beeindruckte. "Es gibt ja nicht mehr viele Menschen, mit denen man darüber sprechen kann, was sie damals erlebt haben. Es war für uns unheimlich spannend, vier Kurzfilme darüber gedreht zu haben", erläuterte Anne Teichmann vom Dom-Gymnasium. Eine Bilddokumentation zeigte, was damals in Schafstädt zu entdecken war. Eine andere wiederum, was die Menschen im Kriegsgefangenenlager von Zöschen erlebten. "Das meiste davon, was damals passierte, weiß ich aus Erzählungen. Ich beschäftige mich mit dem Tagebuch meines Vaters, der in amerikanischer Gefangenschaft war, und ich vergleiche", erzählte Ruth Groß aus Mertendorf. Nach Merseburg war sie gekommen, weil ihr Sohn am Domgymnasium lehrt und von der Präsentation erzählt hatte. "Eine gute Arbeit. Man muss immer wieder an diese Zeit erinnern", ist die Rentnerin überzeugt, "nichts sollte vergessen werden."