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Zeit der Drahtesel in Köthen Zweiräder kommen aus dem Winterschlaf - Jetzt geht Sicherheit vor

Bei den steigenden Temperaturen werden die Leute wieder aktiver und wollen Rad fahren. Aber erst wird geschraubt und geschaut. Darum geht es auch in der Jugendverkehrsschule.

Von Sylke Hermann 25.03.2024, 18:00
Der Frühling ist da und die „Albatross“-Werkstatt voll: Inhaber Frank Czymmek merkt, dass die Leute ihre Räder wieder intensiver nutzen.
Der Frühling ist da und die „Albatross“-Werkstatt voll: Inhaber Frank Czymmek merkt, dass die Leute ihre Räder wieder intensiver nutzen. Foto: Sylke Hermann

Köthen/MZ. - „Ach, da gibt es alles“, weiß Heike Richter und fängt an, von zu großen Fahrrädern, zu kleinen oder locker sitzenden Fahrradhelmen, fehlenden Katzenaugen und am Lenker baumelnden Schlössern zu erzählen. Sie hört gar nicht wieder auf. Kein Wunder: Das ist ihr Alltag. Als Ehrenamtliche unterstützt die Dessauerin die Kreisverkehrswacht in Anhalt-Bitterfeld und kennt gewiss jede noch so kleine Fahrradsünde.

Es ist Frühling und damit die perfekte Zeit, den Drahtesel wieder in Gang zu setzen. Das merkt man bei der Kreisverkehrswacht, die in Kindergärten und Schulen Verkehrserziehung anbietet. Die Nachfrage steige. Nach den Osterferien ist Heike Richter fast jeden Tag in einer anderen Kita. Ihre Mission: Kinder befähigen, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen.

Winterschlaf beendet

Bei Frank Czymmek im Laden ist gerade ziemlich viel los. Wenig überraschend: „Im März beginnt die Fahrradsaison.“ Für den Inhaber der Fahrradmanufaktur „Albatros“ in Köthen eine Zeit, in der die Kunden ihre Räder aus dem Winterschlaf wecken und dann zur Inspektion bringen, weil sie wieder aktiv sein wollen – und möglichst ohne Panne unterwegs.

Er merkt, dass den Kunden der Zustand ihres Fahrrads wichtig ist, dass sie es in Schuss halten wollen, um dem Verschleiß entgegenzuwirken. Auch die Werterhaltung spiele dabei eine Rolle. Bei einer Inspektion, erzählt er, sieht man sich zum Beispiel die Verschleißteile genauer an, Bremsen und Licht sowieso, „das trägt zur Verkehrssicherheit bei“, betont er. Grundsätzlich wird das komplette Rad in Augenschein genommen und alles kontrolliert, was sich im winterlichen Stillstandsmodus gelöst oder gelockert haben könnte. Dazu zählen zum Beispiel sämtliche Schraubverbindungen. Beim E-Bike kommen die elektrischen Komponenten hinzu. Und meistens gibt es dann auch ein Update.

Frank Czymmek findet es toll, dass Fahrradfahren „nach wie vor sehr angesagt ist“. Dass die Leute Spaß daran haben, sich in der Natur zu bewegen. Und dank E-Bike können die Ausflüge ruhig etwas länger sein. Leistungsunterschiede, sagt er, ließen sich auf diese Weise einfach ausgleichen.

Reißzwecke im Reifen

Egal, mit welchem Rad man unterwegs ist, eine Panne möchte niemand haben. Aber die könne eben immer passieren, weiß der Experte. Im Laden, erzählt er, kämen regelmäßig Kunden vorbei, die zum Beispiel eine Reißzwecke im Reifen beklagen und Hilfe brauchen, um schnell wieder mobil zu sein.

Grundsätzlich sollte man auf seinen Touren Flickzeug, eine Luftpumpe und Reifenkleber dabei haben, vielleicht noch einen Ersatzschlauch, im Idealfall sogar einen Kettennieter; wenn die Kette reißt, ist die Fahrt zu Ende. „Eine Panne kommt sowieso immer zur Unzeit“, weiß Frank Czymmek: „Wenn es regnet oder dunkel ist oder man verabredet ist.“ Kaum jemand, so die Erfahrung, repariere sein Rad unterwegs; „es gibt noch ein paar, die das machen“, lacht der Inhaber von „Albatros“ Aber diesen Stress wolle sich kaum jemand zumuten.

Defizite bei Kindern

In der Jugendverkehrsschule geht es weniger darum, dass Kinder lernen, eine Fahrradpanne zu beheben, sagt Heike Richter, „es geht eher darum, dass sie sich mit ihrem Rad besser vertraut machen“. Und da stellen die Ehrenamtlichen der Kreisverkehrswacht einige Defizite fest. Woran das liegt? An der fehlenden Praxis, glaubt Heike Richter, die bei ihren Besuchen in den Schulen immer wieder bemerkt, dass es den Kindern an Routine mangelt, dass sie ängstlich sind, weil sie einfach zu selten Rad fahren.

Aus Sicht der Experten ist es besonders wichtig, dass Kinder mit dem richtigen Fahrrad unterwegs sind. „Oft ist das Rad viel zu groß, weil es auf Zuwachs gekauft wurde“, beobachtet Heike Richter an den Schulen häufiger. Kein Wunder, wenn sich die Kinder dann unsicher bewegten oder gänzlich davon Abstand nehmen würden, weil es ihnen keinen Spaß mache. „Ein Viertel der Kinder in der Stadt kann nicht Radfahren“, schätzt sie. Anders sehe das in ländlichen Regionen aus, wo fast alle Kinder Radfahren können. Dort sei es ein unverzichtbares Fortbewegungsmittel, um Freunde zu besuchen oder zur Schule zu kommen.

Wenn das Rad nicht zu groß und nicht zu klein ist, bewegen sich die Kinder im Straßenverkehr sicher.
Wenn das Rad nicht zu groß und nicht zu klein ist, bewegen sich die Kinder im Straßenverkehr sicher.
Foto: Dpa