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Zivilpolizisten identifizieren symbolträchtigen Gruß

Von ANDREAS BEHLING 28.06.2010, 17:20

DESSAU/KÖTHEN/MZ. - Weißes T-Shirt, silberne Ketten am rechten Handgelenk, dazu eine dreiviertellange Hose. Der 22-Jährige neben Verteidiger Siegfried Kneist wirkt in der Tat wie einer der jungen Leute, die sich eher für harmlosen Hip-Hop interessieren als für gefährliche rechte Parolen. Und dennoch soll der Köthener den Hitlergruß imitiert haben.

Zwei Kriminalisten, die am 22. September vergangenen Jahres mit etlichen anderen Polizisten wegen einer Veranstaltung in der Fachhochschule Anhalt draußen auf der Straße ihren Dienst versahen, wollen die Geste eindeutig erkannt haben. Ihre Beobachtungen knappe vier Monate später vor dem Amtsgericht Köthen bekräftigend, trugen sie am Ende entscheidend dazu bei, dass der Auszubildende wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zur Verantwortung gezogen wurde.

Da der Köthener, dem eine Gesamtgeldstrafe von 600 Euro auferlegt wurde, die Tat jedoch bestreitet, versucht jetzt die 3. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau die Vorgänge von damals erneut zu rekonstruieren. Dieser Versuch ist noch nicht abgeschlossen, denn Verteidiger Kneist hielt es für erforderlich, zusätzliche Zeugen aus dem Bekanntenkreis seines Mandanten vorzuladen, die möglicherweise zu seiner Entlastung beitragen können.

Andererseits ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass die Staatsanwaltschaft neuerlich von Falschaussagen ausgeht und weitere Ermittlungsverfahren einleitet. Zwei Zeugen, die vor der Berufungskammer unter dem Vorsitz von Annette Barth erschienen, mussten diese Erfahrung bereits machen und zogen es deswegen vor, zur Kernfrage - Riss der Angeklagte seinen rechten Arm getreu des Nazi-Musters in die Höhe oder nicht? - lieber zu schweigen.

Der 22-Jährige selbst demonstrierte mehrfach, dass er sich der neugierig auf einer Straßenseite ausharrenden Gruppe zwar mit erhobenem Arm, doch leicht gebeugtem Ellenbogen und abgewinkelter Hand näherte. Einem rechtlichen Hinweis der Richterin zufolge ist es nun freilich so, dass es ausreicht, auf "verwechslungsfähige" Kennzeichen oder Parolen zurückzugreifen. Deren Benutzung sei genau so zu bestrafen wie die des Originals, wenn ein durchschnittlicher Beobachter die wesentlichen Merkmale erkennen könne.

"Ob die Geste auf einer entsprechenden Gesinnung beruht, spielt gar keine Rolle. Es kommt auf die Wirkung in den Augen des Betrachters an. Zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Friedens sollen derartige Symbole generell nicht ins Bild der Öffentlichkeit zurückkehren", formulierte die Vorsitzende. Und unter der Maßgabe waren sich die beiden Zivilpolizisten ziemlich sicher, einen eindeutigen Hitlergruß erkannt zu haben.

"Für mich sah das nicht aus wie ein gewöhnliches Hallo", beschrieb einer der Beamten seinen Eindruck. Sein Kollege wunderte sich derweil über die Dreistigkeit, trotz der Anwesenheit mehrerer Besatzungen in Funkstreifenwagen so auffällig zu gestikulieren. Oder fanden andere Leute auf der Straße das alles viel weniger symbolträchtig? Die vom Verteidiger gewünschten Zeugen werden am 2. Juli gehört.