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Vergoldung im Kreuzgewölbe

Von UTE HARTLING-LIEBLANG 22.04.2010, 17:00

KÖTHEN/MZ. - Schmidt erhielt den Auftrag, die Kreuzrippen, Baldachine und Konsolen des Kirchengewölbes der Jakobskirche zu vergolden. Dazu benutzt er extra starkes Blattgold von Dreiundzwanzig-Dreiviertel Karat.

Mit einem flachen pinselartigen Gegenstand, zu dem der Fachmann Anschießer sagt, trägt der Restaurator das hauchdünne Edelmetall scheibchenweise auf den Untergrund auf. Das geschieht auf dieselbe Weise wie vor vielen Hundert Jahren. Schmidt nutzt dafür die statische Aufladung der Pinsel, die aus Eichhörnchenhaar gemacht sind. "Wir arbeiten mit der Ölvergoldung", verrät der freiberufliche Restaurator. Das Zwölf-Stunden-Anlegeöl wird auf das vorbehandelte Mauerwerk aufgetragen, das nicht mehr saugfähig sein darf. Nach zwölf Stunden ist der Anstrich so weit abgetrocknet, dass mit dem Anschießen des Blattgoldes begonnen werden kann. Dabei müssen Schmidt und sein kleines Team, das sich der Freiberufler je nach Auftragsumfang immer neu zusammen stellt, sehr viel Fingerspitzengefühl an den Tag legen. Während das Blattgold auf zu trockenem Untergrund nicht haftet, dringt bei zu feuchter Unterlage Öl durch das hauchdünne Gold und lässt es runzelig werden.

Rainer Schmidt arbeitet schon seit 14 Jahren als freiberuflicher Restaurator und bringt daher reichlich Erfahrungen mit. Die hat er unter anderem bei Arbeiten am Schweriner Schloss und am Freisinger Dom, aber auch in zahlreichen Museen gesammelt. Der Auftrag in der Köthener Jakobskirche ist für den Erfurter schon unter der Kategorie "etwas Besonderes" einzustufen, wie er sagt.

Vor allem die stark plastischen Darstellungen an den 52 Konsolen verlangen sein ganzes Können. Die biblischen Motive haben Symbolcharakter. Sie stellen u. a. zwei sich verbeißende Hunde dar, die den Kampf zwischen dem Reich des Lichtes und der Finsternis darstellen sollen. Auf einer anderen Konsole sind zwei teufelähnliche Figuren abgebildet, die eine mit Affengesicht und gespaltenen Tierklauen, die eine nackte Person in ihrer Mitte (sie soll eine der sieben Todsünden, den Neid, darstellen) mit hakenähnlichen Instrumenten bearbeiten. Die Symbolik, die dahinter steckt, ist die, dass die zwei Unholde dem Neid den Magen aufreißen. Diese und ähnliche Deutungen hat W. Beißer 1876 in seinem Buch "Die restaurierte reformierte Kathedral-Kirche" beschrieben.

Die Vergoldung hebt sich wirkungsvoll von der farbigen Rücklage der Konsolen ab, die entweder rot oder blau gefasst ist. Von dieser prachtvollen Bemalung war in den vergangenen Jahren kaum noch etwas zu erkennen. Letztmalig wurde Sankt Jakob zwischen 1866 und 1869 durch Vincent Statz restauriert und in diesem Zuge auch die Vergoldung erneuert, kann man im Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler nachlesen. Das alte Blattgold sei auch heute noch nachweisbar, sagt Rainer Schmidt, der hier vor einiger Zeit Befunduntersuchungen vorgenommen hat und auf dieser Grundlage seine Vergoldungsarbeiten ausführt. Doch die alte Goldschicht ist in den letzten 140 Jahren blind geworden und verschmutzt. Zum Vorschein gekommen sind nun auch wieder die Jahreszahlen an einigen Schlusssteinen, die auf die verschiedenen Bauphasen hindeuten. Sie verweisen unter anderem auf die Jahre 1514 und 1517, wie Schmidt sagt. Im Handbuch von Georg Dehio sind Gewölbe-Schlusssteine mit Inschriften von 1498, 1500, 1513 und 1514 erwähnt. Die Schlusssteine sind übrigens mit Stifterwappen der Zeit um 1500 versehen.

Wie viel Gold Rainer Schmidt und sein Team letztendlich auf die insgesamt 800 Meter Rippenvorderplatten, die 52 Konsolen, die Baldachine und Schlusssteine aufgebracht haben wird, wenn er in etwa 14 Tagen seine Arbeit in Sankt Jakob beendet, kann er heute noch nicht sagen. Doch "die Arbeiten gehen planmäßig voran und es gab keine Überraschungen", sagt er. So dass das "Geheimnis" schon bald gelüftet werden dürfte.