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Naturschutzgebiet in Anhalt-Bitterfeld Tiere und Pflanzen im Schlauch Burgkemnitz profitieren vom Biber

Überall im Schlauch Burgkemnitz ist er präsent, obwohl man ihn kaum zu Gesicht bekommt: Ein Nager macht vor, wie man Wasser im Land behält.

Von Jakob Milzner 16.09.2022, 12:00
Wolfgang Wecke und Susanne Grießbach stehen an einem Staudamm, den ein Biber angelegt hat.
Wolfgang Wecke und Susanne Grießbach stehen an einem Staudamm, den ein Biber angelegt hat. Fotos: Jakob Milzner

Burgkemnitz/MZ - Ein sonniger Spätnachmittag im September. Zwischen Grashalmen und Sanddornsträuchern voller erntereifer Früchte fliegen bläuliche Libellen und hüpfen Heuschrecken umher. Aus dem Schilf dringen Vogellaute, doch die meisten von ihnen bleiben im Schutz des Röhrichts verborgen. Auch vom heimlichen Architekten des Feuchtgebiets zwischen Grünem und Blauem See ist nichts zu sehen. Weit entfernt kann er jedoch nicht sein. Irgendwo in der Nähe hat er es sich in seinem Bau gemütlich gemacht – und schläft vermutlich gerade.

Der Biber nämlich ist nacht- und dämmerungsaktiv. Doch selbst, wenn er seine Burg erst in einigen Stunden verlassen wird, für den geschulten Blick ist seine Präsenz bereits unübersehbar.

Da ist zum Beispiel der Ableiter, ein schmaler Wasserlauf, der den Blauen See und den Muldestausee verbindet. Wolfgang Wecke deutet auf eine längliche Schneise im Bewuchs auf seiner Oberfläche. Dort muss er entlanggeschwommen sein. Ein Stück weiter ist durch das Schilf an der Böschung ein Haufen Äste zu erkennen. Kein Zweifel, dort sammelt jemand Baumaterial.

Biber halten das Wasser im Naturschutzgebiet

Und es gibt noch eine Spur: das Wasser selbst. „Ohne den Biber wäre diese Fläche wahrscheinlich trockengefallen“, sagt Wecke, der als Naturschutzbeauftragter des Landkreises das Naturschutzgebiet Schlauch Burgkemnitz betreut. „Durch das Anstauen wird der Grundwasserspiegel gehalten“, sagt Wecke. „Er sinkt nicht ab in diesem Gebiet.“

Der Schlauch Burgkemnitz beginnt wenige Hundert Meter nördlich des Muldestausees. Von dort aus folgt das Reservat im Nordosten dem bereits erwähnten Ableiter bis zum Blauen See und im Nordwesten einer Vertiefung, die sich bis zum Grünen See erstreckt. Die Landschaft ist ein Relikt des Tagebaus: „Das war alles ein tiefes Loch“, sagt Susanne Grießbach. Die Leiterin des Lehr- und Bildungszentrums „Haus am See“ in Schlaitz ist beim Fachbereich für Umwelt- und Klimaschutz des Landkreises beschäftigt und organisiert unter anderem geführte Wanderungen.

Nagespuren, die ein Biber hinterlassen hat
Nagespuren, die ein Biber hinterlassen hat
Foto: Jakob Milzner

Die schlauchförmige Vertiefung, der das Naturschutzgebiet seinen Namen verdankt, sei durch zwei Abraumhalden entstanden, erzählt Grießbach, die sie zu beiden Seiten begrenzen. Ihre Entstehung ist lange her; seit 1963 unterliege das Reservat einer natürlichen Entwicklung, heißt es beim Landesverwaltungsamt.

Mittlerweile hat die Natur die Eingriffe von einst so üppig überwuchert, dass die Bergbauvergangenheit weit entfernt scheint. Dass es sich hier leben lässt, haben indes viele Tiere zur Kenntnis genommen und sich heimisch gemacht. „Das sind würdevolle, wunderschöne Vögel“, beschreibt Wolfgang Wecke seinen ganzen Stolz: die Kraniche, die vor Jahren herfanden – und die geblieben sind. Geradezu „ideal“ sei das Reservat für diese Vögel, schwärmt der Naturschützer, „denn die bauen ihr Nest immer in einem Gebiet, das von Wasser umschlossen ist.“ So finden die Kraniche Schutz vor Raubtieren wie dem Fuchs. „Leider können aber manche auch schwimmen“, sagt Grießbach. „Und das ist unsere große Sorge“, bilanziert Wecke. Neben dem Waschbär stelle auch der Mink dem Kranich nach.

Gleichwohl sind es die Menschen, die Grießbach und Wecke fast noch stärker beunruhigen. Zweimal hätten Unbekannte das Gebiet mit einer Drohne überflogen. „Das ist verboten“, sagt Grießbach. Die Tiere könnten die Form der Drohne nicht einordnen und würden dadurch in einem Gebiet verunsichert, das eigentlich ihr Rückzugsort sein sollte.

Biber schafft wichtige Lebensräume

Doch zurück zum Wasser, dem Grund, aus dem Kraniche und Libellen in dem Feuchtgebiet ein Zuhause gefunden haben. Und damit zurück zum Biber.

„Hier kann er die Landschaft gestalten, ohne dass er mit jemandem in Konflikt kommt“, sagt Grießbach, die neben einem der Dämme steht, mit denen der Biber das Wasser so staut, dass der Eingang zu seiner Behausung stets unter der Oberfläche und damit unerreichbar für Raubtiere ist. So reguliert der Biber zugleich den Wasserhaushalt der Umgebung und sorgt dafür, dass reichlich Flüssigkeit in der Landschaft bleibt. Damit wird er unwillkürlich zum Verbündeten von Vögeln, Amphibien und Reptilien, die feuchte Lebensräume brauchen.

Doch nicht alle sind darüber glücklich. „Fast jedes Jahr werden Biberdämme geschlitzt“, sagt Wecke. Unter anderem sähen Jäger und Landwirte den Biber mitunter kritisch. Kein Wunder, denn große Rücksicht auf die Interessen anderer lässt das Tier bei seinen baulichen Aktivitäten nicht erkennen.

„Wenn er es da machen würde, wo es die Leute haben wollen, dann hätten wir einen Kumpel“, sagt Grießbach. „Aber er macht es halt da, wo er es für richtig hält.“ Daher müssten beim Thema Biber alle miteinander reden, fordert sie. „Naturschutz“, sagt die Leiterin des Hauses am See, „ist ein Mosaik, das immer wieder neu zusammengesetzt werden muss.“