Supermarkt in Köthen Supermarkt in Köthen: Rein, raus, hin, her

köthen - Man könnte das Terrain fast als Köthens unbekanntes Grün bezeichnen. Das sich dort befindet, wo man es gar nicht so sehr vermutet - im Quartier zwischen Aribert- und Hallescher Straße, zwischen Eduardstraße und Bärteichpromenade. Dort stehen Häuser aus Köthens später Boomzeit Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts - und in den Hinterhöfen (wie Google Maps verrät) viele Bäume, kleine Gärte. Idylle.
Die steht auf dem Spiel, finden nicht wenige Leute, die dort ihre Wohnungen haben. Denn der Bauausschuss des Stadtrates hatte vor wenigen Tagen mehrheitlich zugestimmt, dass ein großer Teil des Karrees mit einem Supermarkt bebaut werden darf (die MZ berichtete). Genauer gesagt einem Vollsortimenter, womit umschrieben wird, dass der anzusiedelnde Markt nicht nur Lebensmittel im Angebot hat, sondern noch diverse andere Dinge mehr - Haushaltsgeräte, Kleidung, Drogerieartikel.
Thomas Blasczyk ist einer der Anwohner des möglichen Edeka-Marktes und ist alles andere als begeistert von dem potentiellen neuen Nachbarn. „Wir sind ein reines Wohngebiet“, machte er im Hauptausschuss des Stadtrates - nicht ganz korrekt - deutlich, wo das Thema jetzt auf der Tagesordnung stand. „Ein solcher Supermarkt wäre eine massive Beeinträchtigung unserer Lebensqualität.“ In der Innenstadt, findet der Lehrer, hätten eher „kleine Supermärkte“ ihre Berechtigung. Ganz neu ist das Thema nicht. Bereits im Frühjahr hatte sich der Stadtrat in seinen Gremien mit einem Plan befasst, wonach ein Investor in der Halleschen Straße, auf dem einstigen Gelände von BMK (Bau- und Montagekombinat) Chemie einen Supermarkt errichten wollte.
Stadträte in eine Bredouille gebracht?
Damals stimmte der Fachausschuss zu, ein Beschluss, dem der OB umgehend widersprach, weil u.a. die gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse in dem Mischgebiet beeinträchtigt würden und sich der Bau nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Im Stadtrat dann wurde ein Beschluss gefasst, wonach die Verwaltung aufgefordert wurde, Flächen in der Innenstadt zu suchen, wo man solche oder ähnliche Bauvorhaben tatsächlich umsetzen könnte.
Auf diesen gefassten und nicht umgesetzten Beschluss machte Georg Heeg (CDU) im Hauptausschuss aufmerksam und warf der Stadt vor, die Stadträte somit in eine Bredouille gebracht zu haben, „wo wir am 30. April nicht hineinwollten“. Heeg beantragte, den eigentlichen Beschluss so lange zurückzustellen, „bis die Aufgabe erfüllt ist“ - nämlich den Auftrag vom 30. April zu erfüllen. Allerdings wurde ihm gleich die Ansage zuteil, dass dies nicht bis zum 30. September erfolgen können; den Tag hatte sich Heeg gewünscht, weil dann der Bau-, Sanierungs- und Umweltausschuss wieder tagt und das Thema erneut aufgreifen könnte.
Interessanter noch ist dabei die Frage, was die Stadt zu ihrem Sinneswandel bewogen haben mag. Im März legte die Verwaltung Widerspruch gegen den Bau eines Supermarktes ein, während sie im August den Bau eines Vollsortimenters befürwortete - wobei man davon ausgehen kann, dass die „gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse“ durch den Bau eines Vollsortimenters in identischer Form gestört werden würden wie beim Baum eines Supermarktes.
Während allerdings im Frühjahr die planungs- und baurechtlichen Voraussetzungen für den Supermarkt fehlten, soll diesem Mangel nun durch die Erstellung eines Bebauungsplanes abgeholfen werden; eines B-Planes, den der Investor selbst bezahlt, was der klammen Stadt sehr entgegenkommt.
Die - völlig zu Recht - auch darauf verweist, dass mit der Entscheidung darüber, einen B-Plan aufzustellen, noch keine Entscheidung über den Bau des Vollsortimenters fallen würde. „dabei wird ja eben untersucht, ob sich die Fläche für einen großen Lebensmittelmarkt eignet“, erläuterte der amtierende OB Alexander Frolow im Hauptausschuss und fand im Werben für den Investor Unterstützung u.a. bei Hajo Scholz (Bürgerinitiative), der fand, „wir geben nur den Weg frei, in dieser Richtung aktiv zu werden, mehr nicht“. Und der auch dafür war, Kosten zu sparen und den Investor selbst löhnen zu lassen.
Eine Mehrheit gab es dafür im Hauptausschuss nicht. Dort setzte sich Heegs Vorschlag durch, allerdings nur sehr knapp, so dass man darauf gespannt sein darf, ob im Stadtrat am übermorgigen Donnerstag die Stimmverhältnisse ein weiteres mal umkehren. Die Stadt jedenfalls, so Frolow gegenüber der MZ, werde erst einmal abwarten, was im Stadtrat geschehen, ehe sie an die Untersuchung von potentiellen Standorten für großen Einzelhandel herangeht. Viele gibt es sowieso nicht. (mz)