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Pflege des Wulfener Bruchs Pflege des Wulfener Bruchs: Jetzt folgen die Heckrinder

Von Claus Blumstengel 04.12.2015, 16:32
Stephanie Caspers trainiert mit Heckrindern die Evakuierung bei Hochwasser. Sie lockt die Tiere, die ihr folgen, mit Futter und Rufen. Schon ihr Vorgänger Jakob Noack hatte mit diesem Training begonnen.
Stephanie Caspers trainiert mit Heckrindern die Evakuierung bei Hochwasser. Sie lockt die Tiere, die ihr folgen, mit Futter und Rufen. Schon ihr Vorgänger Jakob Noack hatte mit diesem Training begonnen. Philip Schmitz Lizenz

Wulfen - Die idyllische Szene im Wulfener Bruch erinnert an einen Kinderfilm: Da läuft eine junge Frau, laute Rufe ausstoßend, mit einem kleinen Futtereimer über eine Wiese und eine Herde schwarzbrauner Rinder mit riesigen Hörnern trottet gemächlich hinter ihr her. Noch vor einigen Jahren hätte das niemand geglaubt. Die auf 145 Hektar im Wulfener Bruch nahezu wild lebenden Heckrinder aus dem Beweidungsprojekt der in Wulfen ansässigen Primigenius gGmbH zogen sich normalerweise scheu zurück, wenn sie einen Menschen wahrnahmen. Ein Verhalten, das den Helfern beim Hochwasser 2013 die Evakuierung der imposanten Tiere sehr schwer machte. Zwölf Heckrinder konnten damals nicht gerettet werden.

„Wir arbeiten fast täglich daran, dass sich die Tiere locken lassen, und trainieren mit ihnen, damit wir schnell auf solche Situationen reagieren können“, sagt Stephanie Caspers, die Frau mit dem Futtereimer. Seit Mai dieses Jahres ist Caspers Geschäftsführerin der Primigenius gGmbH. Ihr Ziel ist es, mit anderen Tierhaltern der Gegend einen Helferkreis zu bilden, um sich in Notsituationen gegenseitig zu unterstützen.

Die Weiden im Wulfener Bruch aufzugeben, auf denen zurzeit über 40 Heckrinder, zehn Konik-Pferde, zwei Przewalski-Pferde und einige Exmoor-Ponys grasen, komme nicht in Frage. Zwar hat Primigenius auch noch knapp 800 Hektar in der Oranienbaumer Heide, doch das Nahrungsangebot sei im Wulfener Bruch viel besser, vor allem für die Aufzucht.

Unterstützung aus Dessau

Mit dem von der Hochschule Anhalt wissenschaftlich begleiteten Beweidungsprojekt sollen die artenreichen Feuchtwiesen bei Wulfen und die halboffenen Heidelandschaften bei Oranienbaum erhalten werden. Heckrinder und Konik-Pferde verhindern, dass Büsche und Bäume wachsen. Die Zahl der Tiere reicht dafür aber längst nicht aus. Deshalb werde mit „charakterlich geeigneten Heckrindern“ und Konik-Pferden weiter gezüchtet.

Unter der Leitung von Stefanie Caspers wirbt Primigenius verstärkt für das Fleisch der Heckrinder und hat für die Vermarktung den Laden für regionale Produkte „Das Landei“ in der Johannisstraße in Dessau mit ins Boot geholt. „Es ist hochwertiges Fleisch, weil die Heckrinder das ganze Jahr auf der Weide sind“, schwärmt die Wildtierbiologin.

Das Fleisch der Konik-Pferde wird aber nur noch auf Nachfrage angeboten. Während in der Heimat der 37-jährigen Rheinländerin Pferdefleisch gegessen wird, kommt es diesseits der Elbe nämlich nicht so gut an. Gerade mal zwei Pferde sind in diesem Jahr geschlachtet worden. Bei den 103 Konik-Pferden, die bei Oranienbaum weiden, werde es deshalb nicht bleiben. „Die Hengste ziehen wir von dort ab“, informiert Caspers. Bis auf einige Leithengste. Die werden gebraucht, um die Herde vor den zwei Wölfen zu schützen, die dort in der Heide leben. Einer von denen hat in diesem Jahr nachweislich ein Fohlen verletzt. Damit diese Leithengste ihr Temperament behalten, dennoch aber keinen Nachwuchs zeugen, wurden sie nicht kastriert, sondern einer Vasektomie unterzogen, das ist die Durchtrennung der Samenleiter.

Weitere Ziele im Blick

Primigenius ist inzwischen eine Instanz, wenn es um Beweidung mit halbwilden Rindern und Pferden geht. Mit ähnlichen Projekten in Deutschland hat sich ein reger Erfahrungsaustausch entwickelt.

Kommt ein weiteres Ziel der Primigenius gGmbH zur Sprache, läuten bei Einwohnern und vor allem Landwirten rings um Wulfen die Alarmglocken. Da ist von der Entwicklung „wertvoller Feuchtwiesenlebensräume“ die Rede, von der „Verschließung von Seitengräben“ zur Schaffung „kleinräumiger Vernässungen“. „Das Hochwasser war ein einschneidendes Erlebnis. Ich kann die Ängste verstehen“, räumt Geschäftsführerin Caspers ein und stellt klar: „Die Feuchtbiotope wollen wir erhalten, aber im Einklang mit den Landwirten und Bewohnern. Wenn wir uns auf einen Mittelweg einigen könnten, wäre uns schon geholfen.“

Fleisch und Wurst vom Heckrind und Konik-Pferd sind außer im „Landei“ Dessau auch bei der Primigenius gGmbH in Wulfen, Am Weinberg 6, erhältlich. (mz)