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Ohne Filzhut wird nicht verhandelt

Von BENJAMIN BÖHME 17.03.2009, 17:33

AKEN/MZ. - Gut ein Dutzend Pferde hat der Susigker im Stall stehen. Angekauft von Züchtern aus ganz Europa, verkauft er Pferde auch nach Holland, Österreich oder Tschechien. "Die meisten meiner Abnehmer wohnen jedoch in Sachsen-Anhalt", sagt er. Seine Kunden wollen

die Pferde vor Kutschen spannen oder in der Freizeit reiten. Teure Sportpferde verkauft der 37-Jährige selten. "Da gibt es in der Region keine Nachfrage", sagt er. 2 500 Euro und mehr kann ein Pferd dennoch kosten - abhängig von Rasse, Alter, Fähigkeiten.

Kühn kauft Pferde, wie sie der Markt verlangt. Voll im Trend liegen zurzeit Kaltblutpferde. Vor der Wende in Stall- und Forstwirtschaft geschätzt, galten sie Anfang der 90er Jahre als zu groß, zu schwerfällig und vor allem als zu hungrig. "Jetzt kommen die Tiere wieder in Mode", so Kühn. Ihre Robustheit und Stärke werde nunmehr wieder geschätzt. Für Kremserfahrten und Freizeitausritte seien die gutmütigen Tiere besonders gut. Gleich sechs Stück hat er angekauft und hofft, sie bis zum Sommer an den Mann gebracht zu haben. Wenn das nicht klappt, kann das leicht ins Geld gehen. Gras, Silage, Getreide - allein das Futter für ein Pferd kostet 100 Euro im Monat.

Der Arbeitstag von Reiner Kühn hat oft mehr als zwölf Stunden und beginnt, wenn es noch dunkel ist. Kurz nach sechs Uhr steht er auf. Bevor er sich jedoch um seine Pferde kümmert, bekommt Ehefrau Mandy einen Kuss auf die Wange - Morgen für Morgen, seit über 15 Jahren. Dann reibt sich die Frau mit den schwarzen Haaren den Schlafsand aus den Augen, lächelt und flüstert ein "Guten Morgen" ihrem Mann ins Ohr. "Meine Frau ist meine größte Stütze im Leben und im Geschäft", sagt Kühn leise. "Für dieses Glück bin ich dankbar."

Sachte Töne - das ist sonst nicht seine Art. "Wer Kühn nicht kennt, hat die Welt verpennt", wirbt er für sein Geschäft. Auf den Mund gefallen ist er nicht. "Wenn er Elektrogeräte oder Möbel kauft, muss er jedes Mal einen Rabatt heraushandeln", sagt Mandy Kühn. Früher war sie Zahnarzthelferin, wurde dann arbeitslos. Heute erledigt sie im Geschäft die Buchhaltung, kümmert sich um die Steuer, beantragt Genehmigungen.

Kühns liebste Aufgabe ist die Pferdezucht. Besonders robuste und sportliche Warmblutpferde zieht er heran - das ist einzigartig in der Region. Übernommen hat er die Zucht von Vater Reinhard. Er war LPG-Schlosser und verdiente sich so ein karges Zubrot: "Damals haben wir viele Pferde unter der Hand weiter verkauft", erinnert sich Reiner Kühn.

Sowieso denkt er oft an früher: Damals, in den 90er Jahren brummte das Geschäft. Aufbruchstimmung und Nachholbedarf sorgten für Nachfrage. "Da gab es Tage, da waren alle Pferde ausverkauft", erinnert er sich. Heute käme das nicht mehr vor. Seit 2002 der Euro eingeführt wurde, fehle vielen Kunden das Geld für das Pferdehobby. Zurzeit laufe das Geschäft eher träge. Das sei aber normal im Winter. Doch auch der Ausblick auf den Sommer stimmt Kühn pessimistisch: "Wegen der Wirtschaftskrise haben wir Angst vor einem Umsatzeinbruch", sagt er.

Auch ohne brummendes Geschäft: Viel zu tun ist trotzdem. Scheune und Wohnhaus müssen instand gehalten werden. Hinzu kommen 80 Hektar Acker, auf dem Futter angebaut wird. In den Stallungen wollen daneben noch 40 Rinder versorgt werden. Zeit für Urlaub bleibt da selten. Letztes Jahr waren sie eine Woche in Österreich - der erste Urlaub seit Jahren. "Ich hatte nach zwei Tagen Heimweh", gesteht Kühn. Ihm ist es lieber zu arbeiten, als nichts zu tun. Das kennt er nämlich auch. Nach seiner Lehre zum Hufschmied 1991 wurde er vom Ausbildungsbetrieb nicht übernommen. Arbeitslosigkeit folgte. Dann irgendwann der Schritt in die Selbständigkeit. "Das habe ich nie bereut", sagt er.

Sein eigener Chef sein - das will auch Sohnemann Tim. "Ich will einmal Landwirt werden", sagt der 13-Jährige. Irgendwann will er dann den Betrieb des Vaters übernehmen. Während Tim spricht, schaut Papa Reiner ihn skeptisch von der Seite an, zieht die Augenbrauen nach oben und meint: "Wegen mir kannst du auch Beamter werden." Das sei der sicherere Job. Und dann nimmt Reiner Kühn auf einmal seinen Hut ab und setzt ihn Tim auf. "Siehst du", sagt er und lacht, als die Augen des Kinds im Hut verschwinden. "Der Hut ist dir einfach noch zu groß."