Kran-Transport vom Kranbau Köthen Kran-Transport vom Kranbau Köthen: Mit 600 PS von Köthen nach Aken

Aken/Köthen - „Das fehlte noch!“ Mathias Reichardt beobachtet durch die Frontscheibe seines Mercedes, wie sich im Licht der Scheinwerfer vereinzelte Regentropfen zu langen Streifen verdichten und der Himmel urplötzlich seine Schleusen öffnet. So gemütlich die Fahrerkabine des Trucks ist, mit dem Reichardt soeben von Köthen nach Aken gefahren ist - er muss raus in den Regen. Hinten am Mercedes hängt ein Auflieger von imponierender Länge, der wiederum einen Kastenträger von rund 80 Tonnen Gewicht auf das Hafengelände geschleppt hat. Mehr als eine Stunde hat die Fahrt von Köthen an die Elbe gedauert - „eine Spitzenzeit“, freut sich Reichardt.
Tagelanger Pendelverkehr
Der Hafen ist vorläufige Endstation für eine ganze Serie von Kranteilen, die im Kranbau Köthen hergestellt worden sind. 17 Sonderfahrten sind angemeldet, die in der Nacht zum Dienstag war die zweite in der Reihe. „Es ist wie ein Pendelverkehr“, bestätigt Birger Dammann, Chef und Gesellschafter der Firma TAS Logistik in Coswig, die den Pendelverkehr übernommen hat. Bis zum 23. November - danach soll aufs Schiff verladen werden - ist man buchstäblich in jeder Nacht unterwegs (Wochenenden sind ausgenommen), das größte Teil, das in dieser Zeit befördert wird, bringt straffe 98 Tonnen auf die Waage und dürfte mit rund 7,5 Metern Breite die Möglichkeiten und Fahrkünste von Mathias Reichardt bis ans Limit austesten.
Die Fahrt Dienstagnacht war da ein Vorgeschmack. Drei Minuten nach 22 Uhr hat Reichardt den 630-PS-Mercedes über die Schwerlasteinfahrt von Kranbau Köthen auf die Bundesstraße gelenkt. Schon hier muss er den Auflieger per Hydraulik hochnehmen, weil die Straße leicht ansteigt, und anschließend per Nachlenksteuerung wieder genau in die Spur bringen. Das allein dauert schon mal fünf Minuten.
Anweisungen über Funk
Reichardt hat ein zweites paar Augen in dieser Nacht. Sein Begleitfahrer Sven Teuber fährt hinter dem Mercedes hinterher und achtet mit Argusaugen darauf, dass Reichardt die optimale Spur auf der Straße findet, dass er in den Kurven nicht zu sehr nach außen schiebt, dass die Arme am Kastenträger sich nicht in Verkehrsschilder, Geländer oder Bäume verbeißen. Teubers Anweisungen kommen kurz und knapp über Funk. „Er ist der Beste“, lobt Reichardt seinen Begleiter. „Ohne ihn könnte ich hier nicht fahren. Die Kiste ist so lang, du sieht hier vorn nicht alles, was hinten geschieht.“ Nach jedem Lenkvorgang wird überprüft, ob die Maschine wieder ausgerichtet ist. „Und lenken kann ich sowieso nur bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h“, so Reichardt, der seit zehn Jahren bei der Firma arbeitet.
Schnelle Strippen„heber“
Ist Teuber ein „Auge“ des Fahrers, so sind Michael Vogler, Christian Weber und Christian Mädchen die Strippen„heber“. Die Männer von Verkehrstechnik Thiele bilden eine Vorhut: Sie heben mit langen Stangen Stromleitungen oder Telefonkabel an, damit Mercedes und Fracht unter ihnen durchschlüpfen können. Vor allem in Pißdorf hat das Trio jede Menge zu tun und hetzt neben dem Fahrzeug her, um pünktlich voraus die Kabel anzuheben.
Das eigentliche Sorgenkind sind aber die Bordsteinkanten. Die muss Mathias Reichardt besonders im Auge behalten. Bei der Last, die auf den Reifen liegt, reicht unter Umständen eine beiläufige scharfkantige Berührung und der Reifen ist hin - und der Zeitplan im Eimer. Daher schleicht sich der Fahrer auch vorsichtig wie ein Sioux auf Kriegspfad über die kleine Insel auf Höhe von McDonald's. Hier wird es eng für die Räder, so wie es anderswo eng für die Last wird. Zum Beispiel in einer „Scheißkurve“ am Ausgang von Pißdorf Richtung Osternienburg, wo ein Geländer dicht an der Straße endet.
Im Hafen findet man Platz in der äußersten Ecke - hier ist die Sammelstelle für die Kranteile aus Köthen. Reichardt, Teuber, Dieter Schulz und Robert Stark haben noch rund eine halbe Stunde zu tun, ehe der Kastenträger auf vier 50-Tonnen-Böcke abgesetzt werden kann. Da ist es kurz vor Mitternacht. Reichardt fährt gar nicht erst nach Hause, sondern übernachtet gleich im Fahrerhaus. Die Nacht ist kurz - am Morgen fährt er zum Kranbau nach Köthen, wo schon die nächste Last wartet. (mz)
